Full text: Aufsätze, Reden und Briefe

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mit dem Feldzugsplan dies deutschen Kaisers. Ich halte die 
Engländer für viel zu vorsichtige, tüchtige Geschäftsleute, 
als daß sie einen Feldzugsplan, der von Berlin geschickt wurde, 
in Afrika verwendet hätten. Der Kaiser hat nicht gefühlt, daß 
er damit die Empfindungen des größten Teiles seines eigenen 
Volkes aufs schwerste verletzte, er hat nichts gewußt von 
der Burenbegeisterung, die ja wohl an Uebertreibung litt, aber 
im Kerne gut war. Heldenmütig kämpfte das Burenvolk 
gegen die erdrückende Uebermacht seiner Bedränger, der 
Kaiser aber hat im Augenblick einen Feldzugsplan zur Un 
terwerfung der Buren ausgefertigt. Er hätte sich sagen müs- 
sen: Es ist schmählich für ein auswärtiges Volk, wenn man 
glaubt, ihm mit einem Kriegsplane helfen zu müssen. Er 
hätte sich vor allem sagen müssen: Es ist eine schwere Krän 
kung für das deutsche Volk, wenn der allerhöchste Kriegsherr 
— der höchste ist der Herrgott — für ein fremdes Volk 
Kriegspläne ausarbeitet. Wir wollen nicht, daß der deutsche 
Kaiser Kriegspläne für fremde Völker macht, aber gerade so 
wenig, daß er’s fürs eigene Volk tut. In dem Artikel des 
„Daily Telegraph“ hieß es, der Kaiser habe aber noch weiter 
Dienste dem englischen Volk geleistet. Während des Buren 
krieges hätten sich Frankreich und Rußland an das Deutsche 
Reich gewandt mit dem Vorschläge, jetzt einmal die stolzen 
Engländer zu demütigen, der deutsche Kaiser aber habe dieses 
Ansinnen sofort zurückgewiesen. Er habe sich aber damit 
nicht begnügt, sondern sofort an seine lieben Verwandten in 
London einen Brief geschickt, ungefähr lautend: „Hör mal, 
liebe Großmutter, Frankreich und Rußland haben einen Plan 
gegen die Engländer angefertigt, und als wohlerzogener Neffe 
habe ich meine Mithilfe zurückgewiesen, und teile Dir das 
mit.“ Wenn der Kaiser schon so gehandelt hat, ist es unbe 
greiflich, daß er es fertig bringt, sich dessen noch zu rühmen; 
denn im gewöhnlichen Leben rühmt man sich nicht, wenn 
jemand einem vertrauliche Mitteilungen macht, und man dieses 
Vertrauen nachher in gründlicher Weise täuscht. So wird 
es auch erklärlich, warum Deutschland im Rate der Völker 
immer mehr isoliert wird, warum die deutsche Diplomatie nicht 
informiert ist. 
Die Oesterreicher haben Bosnien und Herzegowina an 
nektiert, ohne daß der deutsche Kaiser eine Ahnung davon 
hatte, und als man deutscherseits Vorhaltungen machte, hatte 
man gesagt: „Ja, wir hätten damit rechnen müssen, daß Ihr
	        
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