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An Emil Hauth*)
Mannheim, 20. Juli 1909
Lieber Emil!
Dein Brief hat mich sehr gefreut. Ich wünsche Dir von
Herzen, daß Du diesmal richtig gewählt hast und in Deinem
Heim das Glück findest, das Du verdienst.
Ich stecke hier tief in der Büroarbeit. Mein Kollege ist
schon auf Urlaub. Und die freien Tage werden von der
Agitation aufgefressen. Am Sonntag redete ich in Landau und
Dürkheim, heute ist die Nachwahl für den verstorbenen
Schellhorn. Die Stimmung unserer Leute ist vorzüglich. Es
würde einen guten Eindruck machen, wenn wir besser ab
schneiden als bei den früheren Nachwahlen. Ueber unsere
Taktik freuen sich im Grunde ihres Herzens auch die Radika-
lissime. Die Schimpfereien bleiben ihnen im Halse stecken.
Für unsere badische Politik ist die Situation im Reiche ge
radezu unbezahlbar**). Wenn Obkircher nicht ganz gottver
lassen ist, können wir die Sache richtig deichseln. — Ich hoffe
Dich und Deine Frau noch zu sehen, bevor ich in die Ferien
gehe. Ich reise wahrscheinlich am 6. August.
Mit herzlichen Grüßen an Euch beide!
Euer Ludwig
Gegen das Zentrum und seine Verbündeten***)
Ith Reichstag
13. Dezember 1909
Meine Herren, das deutsche Volk ist über die Reitkünste
der herrschenden Klassen anderer Meinung als mein Herr
Vorredner. Die herrschenden Klassen verstehen zu reiten
auf dem deutschen Volke!
Der Herr Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz hat es für
notwendig gehalten, neben den Disziplinarbefugnissen des
Herrn Präsidenten noch eine besondere Sitzungspolizei für
die konservative Partei in Anspruch zu nehmen. Er hat
es für nötig gehalten, nachträglich die kleinen bescheidenen
Bemerkungen meines Freundes Scheidemann mit der ganzen
Wucht seiner hurrapatriotischen Begeisterung anzugreifen.
*) Heute Redakteur der „Schwäbischen Tageswacht“.
**) Zusammenbruch des Bülowblocks.
***) Unter diesem Titel 1909 als Flugschrift veröffentlicht.