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hätten, wären kompromittiert worden. Für Agitationsstoff
sorgt die kapitalistische Wirtschaftsordnung genügend; wir
brauchen ihn nicht erst künstlich zu schaffen.
III.
Genosse Kautsky verwirft grundsätzlich das Zusammen
gehen mit einer bürgerlichen Fraktion. Für seine Anschau
ung ist es deshalb gleichgültig, ob im Einzelfall die So
zialdemokratie bei diesem Geschäft Vorteile erringt oder ob
der andere Kontrahent den Hauptnutzen hat. Trotzdem sucht
er zu beweisen, daß die Budgetbewilliger „nicht einmal Augen
blickserfolge erzielt“ haben, „die der Rede wert wären“,
vielmehr sei die Fraktion auf das Niveau der Nationalliberalen
herabgedrückt worden. Die wackelige Stütze dieser schweren
Anklage besteht in einem armseligen Zitat aus der „Kölnischen
Zeitung“, in der irgendein offiziöser Artikelschreiber zur
Verteidigung der badischen Nationalliberalen behauptet, sie
seien „um kein Jota nach links abgerückt“. Wenn Genosse
Kautsky auf das Urteil der bürgerlichen Presse so großen
Wert legt, so hätte er doch auch erwähnen müssen, daß
in Hunderten von Artikeln die konservativen, klerikalen und
scharfmacherischen Blätter beklagt haben, die badischen Na-
tionalliberalen seien durch den, Großblock „radikalisiert“ wor
den und in völlige Abhängigkeit von der sozialdemokratischen
Fraktion gekommen. In Wahrheit kann nur aus Unwissenheit
oder aus bösem Willen behauptet werden, wir hätten unsere
Selbständigkeit preisgegeben oder die Grundsätze der Partei
verleugnet. Bei unseren Interpellationen über die Maureir-
aussperrung und über die Beschäftigung ausländischer Ar
beiter, bei der Beratung unserer Anträge über die Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und gegen die Arbeitsnachweise der Un
ternehmer und bei jedem ähnlichen Anlaß haben wir rück
sichtslos unsere Programmforderungen gegen Liberale und
Zentrum vertreten. Wir haben uns niemals der Illusion hin
gegeben, Nationalliberale und Fortschrittler für sozialdemokra
tische Ziele begeistern zu können. Die erzieherische Wirkung
des Großblocks zeigte sich vielmehr darin, daß die National
liberalen — die früher ganz wie ihre hessischen und preu
ßischen Parteigenossen konservativ-agrarische Neigungen heg
ten, von uns dazu gedrängt wurden, liberale Politik
zu machen.
Ludwig Frank
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