Full text: Aufsätze, Reden und Briefe

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Die Ablehnung der Militärvorlage in Deutschland war bei der 
Haltung des Reichstags nicht zu erreichen. Nur Verbesserungen 
für die dienenden Arbeiter, die Abschaffung" einzelner reaktionärer 
Ueberlieferungen und antisozialdemokratischer Uebergriffe des Mili 
tärs konnten erzielt werden. Darauf richtete Frank seine Arbeit. 
Mit der Behandlung der Wehrvorlage ging gleichzeitig die 
Frage der Deckung der Ausgaben. Die Sozialdemokratie hatte 
bisher auf dem Standpunkt gestanden, „diesem System keinen Mann 
und keinen Groschen“. Diesmal hatte die Regierung selbst zur 
Deckung direkte Steuern, darunter eine einmalige Abgabe vom Ver 
mögen, den Wehrbeitrag, vorgeschlagen. Die Konservativen und 
das Zentrum setzten alles daran, die Wehr- und Deckungsvorlage 
gemeinsam zu beraten, um der bürgerlichen Linken ein Zusammen 
gehen mit den Sozialdemokraten in der Steuerfrage unmöglich zu 
machen. Das starre Festhalten der Sozialdemokratie an der Ab 
lehnung von Deckungsvorlagen für Militärausgaben hätte die Libe 
ralen dem schwarz-blauen Block in die Hände gespielt. Darum 
setzte sich Frank energisch und mit Erfolg für die Mitarbeit bei 
der Deckungsvorlage ein. So gelang es, gegen die Konservativen 
direkte Steuern für das Reich zu schaffen. 
Die Stellung zur Schlußabstimmung über die direkten 
Steuern gab nochmals Auseinandersetzungen in der Fraktion. 
Die Gruppe, deren Wortführer Frank war, vertrat die Ansicht, 
daß die Sozialdemokratie für den Wehrbeitrag und die Besitz 
steuern stimmen müsse. Diese Steuern seien Anfänge zu einer 
direkten Besteuerung durch das Reich, wie sie das sozialdemokra 
tische Programm fordere. Das Programm enthalte darüber nichts, 
daß der Verwendungszweck der Steuer maßgebend sein müsse. Die 
Annahme der Besitzsteuer ohne die sozialdemokratischen Stimmen 
sei zweifelhaft gewesen. Das Volk würde in der Sozialdemokratie 
die Schuldige erblicken, wenn an die Stelle der direkten Steuern 
indirekte träten. Die Forderungen der sozialdemokratischen Frak 
tionen des Deutschen Reichstags und der französischen Deputierten 
kammer wurden erfüllt, wenn die Fraktion, nachdem die Bekamp-, 
fung der Wehrvorlage erfolglos sei, die Lasten auf die Schultern 
der Wohlhabenden abwälze. Diese Auffassung drang durch, die 
Fraktion und damit der Reichstag nahmen die Besitzsteuern an. 
Im Januar 1913 hatten preußische Land tags wählen, stattge 
funden, die der Sozialdemokratie eine Vermehrung ihrer Sitze von 
4 auf 10 gebracht hatten. Das Dreiklassenwahlrecht hatte sich 
wieder als Bollwerk der deutschen Reaktion erwiesen. Der Angriff 
aufs preußische Wahlrecht war der Zentralpunkt jeder Schlachtlinie 
zur Modernisierung der deutschen politischen Verhältnisse. Aber 
die Verteidigungsstellung der Gegner war so wohl ausbalancierti, 
daß sie mit parlamentarischen Mitteln nicht zu nehmen war, damals! 
und in Jahren nicht. Darum schlug Frank in einer Versammlung in 
Wilmersdorf am Vorabend des Zusammentritts des' preußischen 
Landtages vor, nicht mehr zu fordern und zu demonstrieren, sondern 
in die unmittelbare Kampfhandlung, den Massenstreik einzutretenv 
wenn das gleiche Wahlrecht nicht gewährt würde.
	        
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