Full text: Aufsätze, Reden und Briefe

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An Emil Hauth 
Lieber Emil! 
Mannheim, 26. März 1913 
Nach langer Zeit melde ich mich bei Dir, und gleich mit 
einer Bitte: Du hast vielleicht gelesen, daß ich vorgeschlagen 
habe, an neutralem Ort (Zürich, Genf, Brüssel) eine Zu 
sammenkunft derjenigen deutschen und französischen Parla 
mentarier zu veranstalten, die überzeugt sind, daß hüben und 
drüben unter der Flagge des Nationalismus rein in ihren Wir 
kungen antinationale Politik getrieben wird. Zur Begrün 
dung der Militärforderungen wird hier wie dort auf die Maß 
regeln des Nachbars verwiesen. Dieses Argument aus der 
Welt zu schaffen, soll der nächste Zweck der Konferenz sein. 
Keine Einzelkritik der Militärvorlagen — dafür sind die Parla 
mente da —, aber das Versprechen, gegenseitig jede Ver 
mehrung des stehenden Heeres und jede Verlängerung der 
Dienstzeit in diesem Jahre abzulehnen. Das Gefähr 
lichste an den Rüstungsplänen ist der Zeitpunkt, an dem 
sie kommen. Während eines Krieges, und in Deutschland dazu 
während des Jubiläums eines deutsch-französischen Krieges! 
Nachdem von allen Seiten zugegeben wird, daß die beiden 
Militärvorlagen sich kompensieren, kann ein Verschieben 
keinerlei Interessen gefährden. Zeit gewinnen heißt aber 
hier alles gewinnen; denn die Ernüchterung beginnt. Das 
Wichtigste aber wäre: die Tatsache eines solchen Abkommens 
hätte eine gewaltige, politisch-moralische Wirkung und rückt 
die Zukunftskonstellation, den Bund der europäischen West 
staaten, aus dem Bereich des Traumes in Sehweite. Selbstver 
ständlich darf sich die Konferenz nicht auf Sozialisten be 
schränken. W i r sind ja in diesen Fragen einig. Die Ein 
ladung müßte am besten von schweizerischer Seite ausgehen, 
entweder von einem kleinen Komitee von Politikern oder von 
einem Mann mit politischem Ansehen. 
Wärest Du bereit, meinen Vorschlag in der Schweizer 
Parteipresse zu unterstützen? Und könntest Du mir Politiker 
nennen, die bereit wären, die Sache in die Hand zu nehmen? 
Ich käme, wenn nötig, sofort nach Zürich. Ich füge bei, daß 
unsere französischen Freunde der Idee sehr freundlich gegen 
überstehen. 
Mit der Bitte um raschen Bescheid 
Dein herzlich grüßender 
Ludwig
	        
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