356
An Friedrich Stampfer
Mannheim, 20. August 1914
Lieber St.
Ich lese eben im hiesigen Generalanzeiger e/irie sinnlose
Notiz. Ich darf jetzt als Soldat keine Berichtigung schreiben.
Deshalb zu Ihrer Information folgendes: Meine Meldung
als Freiwilliger erfolgte schriftlich in zwei Zeilen vom Reichs
tag aus (5. August) und enthielt lediglich die Worte: „Der
Unterzeichnete bittet, sofort zum Felddieust einrücken zu
dürfen. Ich werde mich nach meiner Ankunft in Mannheim
sofort zur Verfügung stellen.“ — Daß ich mich „auf Be
förderung“ gemeldet habe, ist Phantasie oder Schlimmeres.
Mein Motiv war, durch die Tat zu zeigen, daß unser Be
schluß vom 4. August nicht äußerem taktischem Zwang,
sondern einer inneren Notwendigkeit entsprang — daß es uns
also mit der Pflicht der Verteidigung der Heimat bitter
ernst ist.
Ihr herzlich grüßender
Ludwig Frank
An Leonie Meyerhof-Hildeck
Mannheim, 23. August 1914
Liebe Freundin!
Meinen freien Sonntag mittag verbringe ich am Schreib
tisch in meiner Wohnung. Ich bin in der Kaserne ein-
quartiert und schlafe auf dem harten Feldbett wie mein
Stammvater Jakob „zu Häupten den Stein“, traumlos von
10 bis 5 und manchen Morgen auch bis 4 Uhr; der Trom
peter weckt mich. Die Strapazen der Felddienstübung und
des Marsches ertrage ich mühelos. Ich bin froh darüber:
das Blut für das Vaterland fließen zu lassen ist nicht schwer
und umgeben von Romantik und Heldentum. Ein viel größeres.
Opfer ist es, täglich den Schweiß unter dem Druck des Tor
nisters zu vergießen und stündlich auf tausend Selbstver
ständlichkeiten von Reinlichkeit und Bequemlichkeit zu ver
zichten, an die man jetzt wie an ein weit zurückliegendes
schönes Land denkt. Aber der Körper ist wirklich der Knecht
der Seele. Der feste Vorsatz, sich einzuordnen und auch in
kleinen und kleinlichen Pflichten das große Ziel nicht aus
dem Bewußtsein zu verlieren, hilft über alle Hemmnisse hin
weg. Wann wir hier abmarschieren weiß ich noch nicht.