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zurückgezogen und setzte sich endlich, zufrieden mit ihrem Tagewerk,
auf den teppichbclcgten Tritt am zweiten Fenster ihrer „guten
Stube". Deren Einrichtung war die übliche. Grüne Sammet
möbel mit den selbstgehäkclten Schutzdecken, auf dem runden
Mahagonitisch vor dem Sofa ein Glasbehälter mit einem melan
cholische» Goldfischehepaar und ein paar PhotographiealbumS,
der „Sekretär", die „Servante", hinter deren Scheiben Nippes
aus Porzellan und Alabaster, zwei silberne Leuchter (HochzeitS-
geschcnki), der silberne Myrtenkranz und der sonstige im Lauf
der Jahre angesammelte Schnickschnack schlummerten. Dann in
der Ecke drüben der mit einem gestickten Lambrequin geschmückte,
«in bißchen wacklige Blumentisch, unter dessen einen zu kurz ge
ratenen Fuß stets ein Stück Papier geklemmt war. In dem
grün angestrichenen Einsatz führten ein betrübter Gummibaum,
«ine sorgenvolle Fuchsie, eine trübselige Kamelie und ein völlig
mißglückter Entwurf zu einem Rhododendron ihr melancholisches
Dasein. Am anderen Fenster eine Efeulaube mit einem Käfig,
in dem „Hänschen" fein Wesen trieb, aß, trank und verdaute,
freundliche Besucher, die sich teilnahmsvoll »ach seinem Befinden
erkundigen wollten, anspritzte und dafür niemals sang. An den
Wänden Daguerreotypien, die Töchter Marie und Lotte als
Kinder, und einige Oclbilder, de» längst in die Gefilde der Se
ligen cingekehrtcn Herrn „Hofbutterlieferanten" Emil Anton
Giesebrecht und Gemahlin darstellend. Von der Decke herab
schwebte eine mit Bronzefarbc angestrichene Holzkrone und in des
Kachelofens Nähe das Amen in der Kirche: der Perlen
klingelzug.
Nur in einem unterschied sich diese Alt-Berliner konservative
Einrichtung von den in allen guten Bürgerhäusern üblichen: vom
Sekretär herab grüßte die Gruppe der Grazien. Nicht etwa
aus edlem karrarischem Marmor, sondern aus ganz gemeinem
Berliner Gips. Sie stammte noch aus dem Elternhause am
Hackeschen Markt. Diese außerordentlich ökonomisch bekleidete»