Full text: Lotte Hagedorn: ein Roman aus Alt-Berlin

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zu kurzen Batistkleide mit einer breiten rasa Schärpe. ,Hübsch, 
aber ein bißche» zu jugendlich für die Mutter eines anderthalb 
jährigen Jungen . . . indessen', lächelte Frau Schlegel gütig, 
,sie kleidet auch das, sie kann sich alles erlauben.' In lebhaftem 
Gespräch mit einem Herrn kam sie näher. Frau Schlegel nahm 
die Lorgnette, um sich schon eine Minute früher an dem An 
blick ihres Kindes zu weiden. Enttäuscht ließ sie das Augen 
glas sinken. Das war ja gar nicht die Lotte Hagedorn. Eine 
Dame, ihr wohl ein wenig ähnlich. Aber ohne den schwebenden 
Gang, ohne die Anmut, ohne den seltsamen, ganz eigenartigen 
und einzigen Zauber in der Haltung des Körpers und jeder 
Bewegung. ,Ja, das gab's freilich nicht so bald wieder,' dachte 
sich Fra» Schlegel, ,über die Lotte halten die Götter freigebig 
ihre Gaben gestreut, da hatte die Natur ei» unvergleichliches, 
ein unerreichtes Meisterstück geschaffen . . . Die Lotte!' . . . 
Still und stolz trägt sie das Schicksal, das ihr der unbeugsame, 
törichte Starrsinn des Vaters auferlegt hatte, genau das 
gleiche, das sie selber in ihrer Jugendzeit hatte tragen müffcn. 
Still und stolz und . . . endlich verzichtend. Welche Kämpfe 
hatte es damals zwischen ihr und ihrem Manne Lottens willen 
gegeben; wie hatte sie sich schützend und verteidigend vor ihr 
Kind gestellt und hatte mit allen Wortgefechten und allen 
Tränen doch nichts erreichen können. Mit der Liebe zu dem 
anderen im Herzen mußte die Lotte die „glänzende Partie" 
machen und mußte, ob sie wollte oder nicht, den sehr wohl 
habenden Bankier Otto Hagedorn, in Firma Christian 
Hagedorn & Söhne, Jägerstraße 53, heiraten ... 06 sie 
wohl noch an den anderen denkt? Ob sie ihn noch liebt? . . . 
Nur nicht fragen . . . nur nie daran rühren . . . Sie wird 
niemals die Pflicht gegen ihren Mann vergessen, und in der 
Liebe zu ihrem Kinde wird sie Ersatz finden für das, was ihr 
das Leben verweigerte . . . Der jähe Trennungsschmerz ist 
vielleicht schon in wehmütigem Verzicht gemildert, die Wunde
	        
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