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vielleicht schon vernarbt . . . Nur nicht fragen . . . nur nie
daran rühren! . . .
Ein heftiges Klingeln draußen an der Flurglocke schreckte
Frau Schlegel auö ihren Träumereien. Ja, wollte denn diese
an einer langen Mcssingstange baumelnde Glocke gar nicht auf
hören, zu trillern und zu kluckcrn? Da «nutzte ja wahrhaftig
einer an der «vcißen Porzellanfaust gerissen haben, alö ob er
gar nicht schnell genug Einlaß finden könnte. So darf allen-
falls ein Lotteriekollekteur klingeln, der mit der Nachricht vom
Großen Los ungeduldig hereinplatzt, aber sonst doch kein Mensch
auf der weiten Welt.
Emilie SchwicbuS, das leichtfüßige Kind aus der Ucker
mark, öffnete die Tür zur guten Stube mit Energie, Verve
und ungezügelter Jugcndkraft. Es war wahrhaftig ganz un
begreiflich, daß sie nicht die Klinke mitsaint der ganzen Türe,
mit Rahmen und Riegeln in den rosigen Fingern behalten
hatte.
„Madamin, is einer draußen!"
„Wer?"
„Ick kenn' ihm nich."
„Hast du ihn denn nicht nach seinem Rainen gefragt?"
„Ja, jesagt hat «r'n schon . . ."
„Na, also?"
„Aber ick hab'n wieder versessen..."
Dann stand Emilchen eine Weile da, während deren sie,
auf den Teppich starrend, sichtbar eine schwere Gedankenarbeit
verrichtete, und sagte endlich:
„Jetzt hab' ick's wieder. .Jieseberecht' oder so wat hat er
jesagt."
„W e r?" und Frau Schlegels Stimme zitterte.
„Hermann Adolf Wilhelm Giefebrecht," scholl eine heitere
wohlklingende Stimme durch die geöffnete Tür vom Treppen
flur herüber.