III
Die Regel ist gut, und selbst in den ersten Grundsätzen
der Kritik enthalten. Aber wollte der Himmel! ihreÄn-
wendnng hatte nicht schon öfter das Feuer der Srreitie-kci-
teil nur noch mehr angefacht! Was einigen klar scheint,
das behaupten andre dunkel zu seyn, uns viele sind wohl
gar so dreiste, daß sie mit dem Dunkeln das Helle ver
finstern.
Hernach entspricht wohl immer einer jeden dunkeln Schrift-
stelle eine klarere? Sind wohl in der Bibel alle göttlichen
Wahrheiten klar und deutlich ausgedrückt? — Wir wollen
sie darum selbst befragen.
Der erste Kämmerling der Mohrenköniginn K a n d a z e S
liest aufmerksam den JsaiaS. Verstehst du wohl — fragt
ihn Philipp — was du liesest *)? Ol — ist die Ant
wort — wie soll ich'ö verstehen, wen» mir'g Niemand er
klärt? Der Mann ist doch keiner aus dem Pöbel, er kann
mehr, als lesen. Er ist zwar noch kein Gläubiger — wie
die Herren, die außer der Schrift keine Glaubensregel an
nehmen, eben nicht eher gläubig sind, bis sie dieselbe lesen
und verstehen— aber er ist doch einProselyt, und hat ein
redliches, zum Glauben geneigtes Herz. Es braucht also
noch etwas mehr, als zu lesen, um die heiligen Bücher
recht zu verstehen, weil da beyde, der Schüler und der
Meister, die Nothwendigkeit eines Auslegers erkennen.
Diese Nothwendigkeit empfanden die Apostel selbst am
besten. Wie oft verstunden sie nicht einmal die Worte ih
res noch lebenden Lehrmeisters, woher sie genöthigt wurden,
ihn um eine Erklärung zu bitten **)? Wie oft hörten sie
von ihm, daß der Mesiias, den prophetischen Orakeln ge
mäß, den Heiden würde üaerantworret, und gekreuzigt wer
den, alsdann aber von den Todten wieder auferstehen; und
*) Vermeinst- du wohl, daß du verstehst, was du liesest? Er sprach: wie
kann ichs verstehen., so mich Niemand unterweist? Ap. G e s ch. g. 30. ;i»
ünd seine Jünger traten zu ihm und sagten: erkläre uns das Gleich'
niß von dem^Inkraute auf dem Acker. Matth, e;. 36.
Warum verstehet ihrs nicht, daß ich nicht vom Brvde geredet habe?
Lbe»d. 1?, il,