Von dem
ungeschriebenen Worte Gottes.
<Oeder Dinte noch Feder, noch Papier, noch so etwas
das der Dinte, der Feder und dem Papier gleich kömmt,
aber die gränzenlose Vollkommenheiten deö unendlichen Red
ners geben dem Worte Gottes das Ansehen. Sey eö ge
schrieben oder nicht geschrieben, ist es Gottes Wort, so ver
dient es von allen vernünftigen Geschöpfen den schnellsten,
den blindesten, den festesten Beyfall, eben so, wie es dem
Befehle des Landesfürsten muß gehorcht seyn, werde er
schriftlich oder mündlich kund gemacht.
Zwar in den menschlichen Geschäften gilt meistcntheilS
die Schrift mehr als das mündliche Wort; aber dieses ist
eine willkührliche Einrichtung, deehalben gemacht, weil man
im Schreiben gemeiniglich mehr Behutsamkeit gebraucht als
im Rede», und weil die Bosheit oder Dummheit der Men
schen , die Reden leichter als die Schriften verkehrt. Das
Erste findet da keine Statt, und wider die schlimmen Fol
gen des Zweyten hat der Allweise schon Vorsehung gethan.
Gibt es also ein ungeschriebenes Wort Gottes, so ist dem
selben, wie dem geschriebenen zn glauben, so ist alles was
es lehrt, christliche GlaubenSwahrhcit, und was ihm wi
derspricht , ketzerischer Irrthum. Die Sache ist ziem ich
klar. Nur kömmt es darauf an, ob die Bedingung be
stehe, und sie besteht, wenn die Schrift nicht alles in sich
enthalt, was ein Christ zu wissen verpflichtet ist.—
Wie alle göttlichen Werke, sagt man, vollkommen find,
so ist eö auch die Bibel. — Wer laugnet es? Aber den
Schluß von der Vollkommenheit des Werkes, auf die Voll-