Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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aus der mündlichen Unterrichtung, die er vermittelst der 
steten Uebung im Gedächtnisse behält. 
Hernach kommen gewisse öffentliche Denkmähler —- wie 
Kirchengebände, Altäre, Taufsteine, Gemählde — — — 
welche, wie sie der alles zerstörenden Zeit lange Troß bieten, 
also auch lange die glaubwürdigsten Zeugen von der uralten 
Lehre abgeben können. Da fällt mir ein artiges Geschichte 
chcn bey, daö sich vor zwey Jahrhunderten zu B c II e im 
französischen Flandern ereignet hat. 
Einem gewissen unruhigen Kopfe gelang eö, das Volk 
desselben Städtchens auf den Glauben zu bringen, cs wä- 
ren die Altäre in den Gotteshäusern eine ganz neue Erfin 
dung abergläubischer Menschen, wovon man in den ältern 
Zeiten keine Spur anträfe. Allein wie bald wurde der Lüg 
ner vom leblosen Steine selbst überwiesen und beschämt! 
Der muthwillige Pöbel riß unter der Anführung dieses 
Schwärmers den Altar nieder, und fand zum Glücke in 
einem Stücke desselben die Jahrzahl eingehauen. Ich kaun 
mich nicht mehr deutlich erinnern, welches Jahr angemerkt 
war; aber das weiß ich zuverläßig, daß man dcöhalben die 
Errichtung des Altars ins tiefste Alterthum hinelnfeßte. 
Zu den öffentlichen Denkmählern mögen wir auch die 
Werke der Kirchenväter zählen. Denn cs ist zu bemerken, 
wenn wir vom ungeschriebenen Worte Gottes Meldung 
thun, so schließen wir nur die Schriften der Apostel, nicht 
jene ihrer Nachfolger aus. Eö steht weder dem Wesen 
desselben, noch irgend einem apostolischen Verbot entgegen, 
daß cs in der Folgezeit schriftlich aufgezeichnet werde. Und 
wirklich geschah es also. Schon unter den ersten Schülern 
der Apostel, und hernach immerfort, gab es in einer steten 
Reihe fromme, eifrige und erleuchtete Männer, welche die 
Lehren nach und nach zu Papier brachten, die. zuvor nur 
in die Herzen der Gläubigen, durch den mündlichen Unter 
richt geschrieben waren, um sie desto sicherer der Vergessen 
heit zu entziehen. 
Endlich trugen dazu die häufigen und mannichsaltigen 
Keßereyen viel bey, welche die Kirche gleich von ihrer Ge 
burt an ohne Aufhören beunruhigten. Dieses ist die weiseste
	        
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