wovon wir gegen die wahre christliche Religion mit Recht
eingenommen sind, lassen uns nicht so gefällig seyn. Wir
schaßen, ehren und lieben sie, wie der bestgeartete Sohn
seine Mutter schaßt, ehrt und liebt, und daraus läßt sich's
abnehmen, wie uns bey Anhörung oder Lesung jo grau-
sicher Lasierungen das Herz blute. Welche Forderung also!
wir sollen den Schmerz mit Stillschweigen verbeiffen, ihm
keine Linderung juchen, ja nicht einmal desselben stetem Zu
wachs, mit einem Worte vorbeugen?
Dazu kömmt noch, daß durch so freye Schimpfreden
und Schimpfschristen hundert und hundert irregemacht, und
entweder von der Wahrheit, der sie anhangen, abgeführt,
oder in dem Irrthume, womit sie behaftet sind, gestärkt
werden. Ein neuer und sehr empfindlicher Schmerz für
unser gefühlvolles Herz; weil wir mit allein unsern Jnlo-
lerantismuö, auch die irrenden wie Brüder sieben.
Ja ungeachtet aller gekünstelten Einwendungen von
Seite des Herrn Rousseau sey's gesagt: wir lieben die
Irrenden aufrichtig, wie Brüder, und unsre Intoleranz
hasset den Irrthum, nicht die Person. Jene möchten wir
getilgt, diese hingegen glücklich sehen. Wenn uns daraus
der Philosoph eine Unmöglichkeit machen, wenn er behaup
ten will, man könne mst Menschen durchaus nicht friedsam
umgehen, welche man für verdammt halt, sie lieben, sey
soviel als Gott hassen, der sie straft, und eines aus bey
den müsse unumgänglich geschehen, sie entweder auf den
rechten Weg zu führen, oder zu peinigen *), so bringt er,
nebst einem sehr unrichtigen Ausdrucke, so viel Lügen, als
Säße vor.
Wie unrichtig drückt er sich aus, da er die Irrenden
Menschen nennt, die man für verdammt hält! Wir ge
trauen uns nicht in die Rechte des Allwissenden einzugrel-
fen. Er allein, vor dessen Augen das Künftige, wie das
Gegenwärtige offensteht, sieht wit Gewißheit ihr endliches
*) II est impossible de vivre en paix avec des gens, qu’on croit
damnes ; les airaer seroit hai'r Dieu, qui les punit 5 il saut abso-
lument, qu’on les ramene, ou qu’on le* tourmente, Contr.
,Soe, liv, 4. ch. S.