Schicksal voraus. Wir Kurzsichtigen, wir wissen nur,
was ihm gnädigst beliebe hat, uns zu offenbaren, und von
dieser Offenbarung unterrichtet, halten wir jetzt die Irren
den, nicht für verdammt, sondern für Unglückliche, die
den geraden Weg zur Verdammung wandeln, und wenn
sie nicht vor dem letzten Hauche des Lebens zurückkehren —
was wir sehnlich verlangen, von der Güte des Vaters der
Erbarmnngen hoffen, und zu bewirken uns mit allen Kräf
ten bemühen — ohne allen Zweifel werden verdammt werden.
Nun ist die Frage: warum foll's uns unmöglich seyn,
mit Leuten im Frieden zu leben, von denen wir nach den
klaren Grundsätzen unsers Glaubens also denken, und ge
gen die wir, nach dem sanftmüthigen G ifte des Evange
liums, so gut gesinnt sind? W.r woll n ihn gewiß nicht
stören, den geliebten Frieden, und verabscheuen von gan
zem Herzen, waö immer dagegen von Jemanden unter nnS
je ist gethan worden, oder noch sollte gethan werden. Fan
gen sie die Störung von ihrer Seite an, so liegt die
Schuld weder an uns, noch an unsrer Glaubenslehre, und
wir werden es wissen, nach dem Beyspiele der Apostel,
und der ersten Vater des Christenthums, mir Sanftmuth
und Geduld zu ertragen.
Diese Männer, die damals von dem evangelischen
Grundsätze der Undu dsamkeit ganz eingenommen, von den
Juden Heiden und Ketzern nicht anders dachten, als wir
jetzt von den ungläubigen Philosophen, und irrenden Chri
sten , betrugen sich dennoch mit ihnen ganz friedsam, und
gewannen der Wahrheit, obwohl gehaßt und verfolgt, mit
ihrer sanftmüthigen Geduld die Herzen vieler Tausenden.
Ohne Zweifel liebten sie auch diejenigen, um deren
Bekehrungen sie sich, so eifrig und unermüoet bewarben;
und denen sie vo. ihrer Bekehrung ohne Unterlaß zuriefen:
„ Der nicht glauben will, der wird verdammt werden. "
Ab^r wer untersteht sich zu sagen: daß sie dabey Gott
hasteten, der über die Ung äubigen einst das Urtheil spre
chen wird? Wahrlich! Rousseau behauptet da den
auffallendsten Widerspruch. Wenn man ohne Gott zu has
sen, die nicht lieben, kann, welche in Ansehung der wesent