Von der Glaubensregel.
*3t ann die oberwahnte Einheit des sittlichen Körpers ohne
die Einheit dcS Glaubens, kann die Einheit des Glaubens
ohne festgesetzte Regel bestehen? —
Nein. Dieses ist auf beydcS die kürzeste, die klarste,
die wahrhafteste Antwort. Die mauuichfalcigen Glieder
müssen durch das Band desselben Glaubens zusammenhan
gen, sonst wird kein Ganzes, kein Körper; und der Glaube
muß sich an eine Regel halten, sonst ergeht eS ihm, wie
allen übrigen Lehren, die dem Eigensinne der Menschen
überlassen, und mit ihm der sieten Veränderung unterwor
fen sind.
Freylich, wenn der göttliche Heiland in seiner Kirche
alle Unwissenheit, allen Zweifel, allen Irrthum, alle Unei
nigkeit, mit einer unmittelbaren Wirkung der Allmacht ver
hinderte, so wäre der Glaube seiner Bestandheit, ohne
auswärtige Stütze schon genug versichert. Allein so ein
außerordentliches und stetes Wunder zu thun, wodurch die
Christen auf eine gewisse Art aufhörten, Menschen zu seyn,
gefiel der grenzenlosen Weisheit nicht; cö gefiel ihr viel
mehr, dergleichen zwar schlimme, aber natürliche Folgen
der Menschlichkeit ans den besten Absichten zuzulassen.
Daher sagte auch Christus gleich anfangs die Uneinigkei
ten, Trennungen und Keßereyen vorher, die zur Prüfung
der achten Tugend von Zeit zu Zeit unter den Christen ent
stehen würden.
Eine Glaubensregel also ist in der wahren Kirche aller
dings nothwendig; eine Regel, die sich auf alle Glaubens
sätze, auf alle Zeiten, auf alle Orte, auf alle Menschen
erstreckt, damit alles, immer, allenthalben, von allen, und