Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

Von der Glaubensregel. 
*3t ann die oberwahnte Einheit des sittlichen Körpers ohne 
die Einheit dcS Glaubens, kann die Einheit des Glaubens 
ohne festgesetzte Regel bestehen? — 
Nein. Dieses ist auf beydcS die kürzeste, die klarste, 
die wahrhafteste Antwort. Die mauuichfalcigen Glieder 
müssen durch das Band desselben Glaubens zusammenhan 
gen, sonst wird kein Ganzes, kein Körper; und der Glaube 
muß sich an eine Regel halten, sonst ergeht eS ihm, wie 
allen übrigen Lehren, die dem Eigensinne der Menschen 
überlassen, und mit ihm der sieten Veränderung unterwor 
fen sind. 
Freylich, wenn der göttliche Heiland in seiner Kirche 
alle Unwissenheit, allen Zweifel, allen Irrthum, alle Unei 
nigkeit, mit einer unmittelbaren Wirkung der Allmacht ver 
hinderte, so wäre der Glaube seiner Bestandheit, ohne 
auswärtige Stütze schon genug versichert. Allein so ein 
außerordentliches und stetes Wunder zu thun, wodurch die 
Christen auf eine gewisse Art aufhörten, Menschen zu seyn, 
gefiel der grenzenlosen Weisheit nicht; cö gefiel ihr viel 
mehr, dergleichen zwar schlimme, aber natürliche Folgen 
der Menschlichkeit ans den besten Absichten zuzulassen. 
Daher sagte auch Christus gleich anfangs die Uneinigkei 
ten, Trennungen und Keßereyen vorher, die zur Prüfung 
der achten Tugend von Zeit zu Zeit unter den Christen ent 
stehen würden. 
Eine Glaubensregel also ist in der wahren Kirche aller 
dings nothwendig; eine Regel, die sich auf alle Glaubens 
sätze, auf alle Zeiten, auf alle Orte, auf alle Menschen 
erstreckt, damit alles, immer, allenthalben, von allen, und
	        
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