10 Höcker
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Klasse. Beide atemlos, beide schluckend, und sahen uns init
umflorten Augen an. Doch zunächst konnte keines sprechen.
Und auch auf der ganzen weiteren Fahrt siel kein Wort,
das an unseren Schmerz rührte. Wir waren viel zu er
griffen - aber auch zu verlegen dazu. Indes einen rechten
Schulkinderstreich leisteten wir uns. Minna sollte in
Winden einen Zug überspringen, wir wollten noch einen
wunderschönen Spaziergang zusammen machen. Eine De
pesche wurde also nach P. aufgegeben, sobald der Zug
abgefahren war: „Zug versäumt, bin erst halb zwei Uhr da.
Minna."
Ein sonniger Maitag. Minnas Handgepäck, die Blunien
und Konfektpäckchen wurden in der Bahnhofswirtschaft
verstaut, und dann zogen wir los. Ein Feldweg führte von
der Bahn fort ins Frühlingsland. Vogelgezwitscher erfüllte
die Luft. Wir gingen Hand in Hand, gerieten in ein immer
flotteres Marschtempo und sangen. Und dann lachten wir
über Frau Schmidt, die am Mühlburger Tor noch dein
Zugführer nachgerufen hatte. Und es war in all dem
Schwatzen eine Seligkeit ohnegleichen. Dabei gab's bis
zum Bahnhof zurück kein Wort von Scheiden, Lieben,
Leiden. Und artig sagten wir die ganze Zeit über „Sie"
zueinander wie stets bisher.
Grad' fuhr der Zug ein, mit dem Minna weitcrmußte.
In Eile holte ich das Handgepäck und brachte cs ihr ins
Abteil. Und wir gaben uns stumm beide Hände und ge
nierten uns wieder grenzenlos.
Der Zug fuhr ab. Minna winkte mit meinem Blunien-
strauß. Ich hatte den Hut gezogen und winkte wieder. Wir
hatten beide nasse Augen, aber wir sahen einander lachend
und strahlend an.
Daheim hatte niemand etwas von meinem Abenteuer