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Von den Fenstern nebenan hatte inan genau dieselbe
Aussicht: auf drei, vier parkartige Gärten tief da unten.
Darinnen lagen ein paar ins palastartige geratene Einzel
villen. Der Maurer kannte diese meine neue Heimat ge
nauer als ich. Er erklärte mir: den Besitzer des großen Eck
hauses drüben an der Maaßenftraße habe er schon gekannt,
als der noch ein kleiner Schöneberger Kartosselbauer war.
„Verrückte Wandlungen, nich?" Mit den politischen Gren
zen kenne man sich leider jetzt kaum aus. Die Straßen-
reinigung besorgte hier auf der einen Seite Charlottenburg,
auf der anderen Berlin. Und die Steuern schluckte Schöne
berg. „Den Jas aber, den bezahlt man an die Englische
Jesellschaft am Balg-Angst-Platz. Zur Trauung müssen
Sie wieder dahin, wo Sie Ihre Steuern abladen. Und
militärisch jehören Sie jar zu Teltow. Det is doch 'n
eenzijtes Kuddelmuddel, find 'ch. Wenn ik mir über die
Polizei ärjern will, denn möcht' ik doch erst wissen, is es
ooch mein richtijes Revier? Nee, da kommt denn am Ende
eener und sagt: et is die von Wilmersdorf. Da haben Se
nämlich ooch nich mehr weit hin. Warum is nich allens
Provinz Berlin oder so?"
Nach ein paar Tagen löste den Maurer der Zimmer
mann, diesen wieder der Maler ab. Darauf mußte das
Werk trocknen. Aber bald klappte die Tür, klappte alles.
Am Pfmgstfonnabend wurden wir in der mit Maien ge
schmückten kleinen Schöneberger Dorfkirche getraut. Nur
ein ganz kleiner Kreis war versammelt. Meine Schwieger
mutter hatte uns lieber das Geld, das eine größere Hoch
zeit verschlungen hätte, in einem Heftchen blauer Hundert
markscheine für eine Hochzeitsreise geschenkt.
Die stärksten Einwände gegen unsere Heirat hatte sie
ganz allein niederkämpfen müssen. Ihre Verwandtschaft