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Leider fehlte noch die innere Ausstattung, auch der tech
nische Bühnenausbau. Der Abtransport der Parkettsitz-
reihen sei bereits von der Fabrik gemeldet worden, hieß es,
aber unterwegs habe ihn der deutsche Einmarsch überrascht.
Auch eine behelfsmäßige Fertigstellung hätte noch monate
lange Arbeit erfordert. Indes stand auf dem Neuen Platz
mitten in der Stadt noch das Jnterimstheater, ein scbmuck-
loser Holzbau ohne Ränge. Einer der Pionierofsiziere des
Gouvernements hatte den Bau neulich aufgesucht, um fest
zustellen, ob er als Notquartier für durchmarfchiercnde
Truppen zu verwenden wäre. Leider stand der ganze Keller
voller Wasser. Für ein paar Theatervorstellungen ließe sich
der Schaden vielleicht beheben, meinte er. Ich zog mit der
Abordnung zum Jnterimstheater, unser Sachverständiger
untersuchte den Bau, besprach die Angelegenheit init seinen
Leuten, und daraufhin unterbreitete ich am 17. August 1915
dem Gouvernement Lille den Antrag auf Genehmigung
einer ersten Theatervorstellung für unsere Soldaten: Agnes
Sorma, Eduard von Winterstein, Gustav Rickelt, Hang
Waßmann, Leutnant Alexander Moissi, Johanna Termin,
A. E. Weirauch und andere Berliner Künstler seien bereit,
„Minna von Barnhelm" zur Aufführung zu bringen, und
erklärten sich mit einem täglichen Verpslegunggzuschuß von
10 Francs bei Gewährung von freiem Quartier einver
standen. Die Kosten für Hin- und Rückfahrt sollten aus den
Eingängen des ganz billig zu bemeffenden Eintrittspreises
gedeckt werden. Der Gouverneur der Festung Lille, General
der Artillerie von Heinrich, erklärte mir sein Einverständnis.
Aus dem Keller des Jnterimstheaters wurde das Wasser
ausgepumpt, Scheuerfrauen traten ihr Amt an, ein Auf
gebot französischer Facharbeiter verdiente sich mit Häm
mern und Klopsen guten Stundenlohn. Die Liller sperrten