Full text: Gottgesandte Wechselwinde

509 
Leider fehlte noch die innere Ausstattung, auch der tech 
nische Bühnenausbau. Der Abtransport der Parkettsitz- 
reihen sei bereits von der Fabrik gemeldet worden, hieß es, 
aber unterwegs habe ihn der deutsche Einmarsch überrascht. 
Auch eine behelfsmäßige Fertigstellung hätte noch monate 
lange Arbeit erfordert. Indes stand auf dem Neuen Platz 
mitten in der Stadt noch das Jnterimstheater, ein scbmuck- 
loser Holzbau ohne Ränge. Einer der Pionierofsiziere des 
Gouvernements hatte den Bau neulich aufgesucht, um fest 
zustellen, ob er als Notquartier für durchmarfchiercnde 
Truppen zu verwenden wäre. Leider stand der ganze Keller 
voller Wasser. Für ein paar Theatervorstellungen ließe sich 
der Schaden vielleicht beheben, meinte er. Ich zog mit der 
Abordnung zum Jnterimstheater, unser Sachverständiger 
untersuchte den Bau, besprach die Angelegenheit init seinen 
Leuten, und daraufhin unterbreitete ich am 17. August 1915 
dem Gouvernement Lille den Antrag auf Genehmigung 
einer ersten Theatervorstellung für unsere Soldaten: Agnes 
Sorma, Eduard von Winterstein, Gustav Rickelt, Hang 
Waßmann, Leutnant Alexander Moissi, Johanna Termin, 
A. E. Weirauch und andere Berliner Künstler seien bereit, 
„Minna von Barnhelm" zur Aufführung zu bringen, und 
erklärten sich mit einem täglichen Verpslegunggzuschuß von 
10 Francs bei Gewährung von freiem Quartier einver 
standen. Die Kosten für Hin- und Rückfahrt sollten aus den 
Eingängen des ganz billig zu bemeffenden Eintrittspreises 
gedeckt werden. Der Gouverneur der Festung Lille, General 
der Artillerie von Heinrich, erklärte mir sein Einverständnis. 
Aus dem Keller des Jnterimstheaters wurde das Wasser 
ausgepumpt, Scheuerfrauen traten ihr Amt an, ein Auf 
gebot französischer Facharbeiter verdiente sich mit Häm 
mern und Klopsen guten Stundenlohn. Die Liller sperrten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.