Richard Schmidt, Staatslehre 25.
wurde unvollkomınen schon bei Ausbildung der öffentlichen Straf-
verfolgung seit der Renaissance (Untersuchungsrichter und Spruch-
gericht) angestrebt — vollkommen trat sie in England auf, wo
seit dem Mittelalter der urteilenden Behörde (Geschworenengericht)
der Bürger als Privatkläger gegenüberstand, — infolgedessen
allerdings hier hinter der Rechtskontrolle die Energie der Straf-
verfolgung zurücktrat. Unter Verschmelzung beider Systeme hat
der moderne Staat Energie und Rechtskontrolle im Zusammen-
wirken von Staatsanwalt und Strafgericht vereinigt. Doch ist dieses
System voll nur auf dem Festland entwickelt, während England
noch mit den Resten des Privatklagesystems ringt.
Entsprechend der Strafgerichtsbarkeit kommt in England seit
dem Mittelalter auch eine justizielle Kontrolle der verwaltenden
Exekutivorgane auf Beschwerde des beteiligten Bürgers, Ver-
waltungsgerichtsbarkeit, zur Ausbildung (vgl. o. 8 10),
auch sie jedoch bis heutigen Tags technisch unvollkommen und
unter willkürlicher Beschränkung der Anwendungsfälle. Sie erfährt
eine Nachbildung in Frankreich, in. der Funktion des Staatsrats
als obersten Verwaltungsgerichtshofs, der aber von der Regierung
abhängig ist. In prinzipieller Ausbildung haben die deutschen
Territorien im Lauf des 19, Jh. Verwaltungsgerichtshöfe (in Preussen
als oberstes Organ: das Oberverwaltungsgericht) geschaffen, jedoch
»benfalls noch nach dem Grundsatz, dass die Fälle, wo Anrufung
der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglich ist, gesetzlich bezeichnet
werden: KEnumerationssystem. Sachsen hat die Verwaltungs-
gerichtsbarkeit erst i. J. 1900 eingerichtet.
2. Auch die Einrichtung der Verwaltungs- und Strafjustiz
allein genügt .noch nicht, um die Herrschaft der generellen Rechts-
regel im Staatsleben zu verbürgen. Meist wird verkannt, dass hierzu
auch eine bestimmte technische Fassung der gesetzlichen Regeln
selbst kommen muss, — nämlich eine die Rechte und Pflichten
der amtlichen Aktegenau zu vorzeichnende Fassung.
Dieses Erfordernis wird vernachlässigt, wenn den Verwaltungs-
behörden oder Gerichten allzuviel ins freie Ermessen gestellt wird.
Ist auch besonders in der Verwaltung eine gewisse freie Bewegung