Richard Schmidt, Staatslchre 1.
Einleitung.
Bedeutung und Aufgabe einer allgemeinen Staatslehre
und Politik.
I. Die allgemeine Staatslehre ist eine Hilfswissenschatt
der Rechtswissenschaft, Die letztere beschäftigt sich mit
dem Staat als einem notwendigen Verband der durch
gemeinsames Leben verknüpften Menschen, der mit
Hilfe seiner überlegenen Macht den Verbandsgliedern ihre öffent.
lichen (füralle oder viele gemeinsam wichtigen) Güter ver-
schafft (Schutz gegen äussere Feinde oder gegen Störungen ihrer Mit-
bürger, Beschaffung von Verkehrswegen oder Bildungsmitteln ete.).
Unter diese Aufgaben des Staats fällt auch die Aufrecht
erhaltung des Rechts, sowie andrerseits der Staat bei Lösung
seiner Aufgaben an das Recht gebunden ist (vgl. näher u.
$ 3). Die Rechtswissenschaft muss deshalb, indem sie ihre natür-
liche Funktion erfüllt, der Gesetzgebung und der Rechtsanwendung
vorzuarbeiten, auch dem Staat ihre Beachtung zuwenden. In
letzter Linie braucht sie für ihre Zwecke stets die Erkenntnis des
Wesens, der Eigenart,. der Aufgaben eines bestimmten ein-
zelnen Staats (eine besondere Staatslehre, d. h. die
Wissenschatt des sog. „positiven“ Staatsrechts). Aber bei dem
engen historischen und kulturellen Zusammenhang aller heutigen
civilisierten Staaten kann jene Erkenntnis unbedingt nur in Fühlung
mit der Erforschung des Lebens aller andern Staaten
gewonnen werden, Diese Grundlage soll die allgemeine Staats-
lehre schaffen. Sie ist so am nächsten verwandt der allge
meinen Rechtslehre und der Volkswirtschaftslehre.
1]. Wie die Aufgabe der allgemeinen Staatslehre. des näheren
zw bestimmen sei, hängt mit der Frage nach den Mitteln und
Grenzen der Erkenntnis des Staats zusammen. Die ältere Staats-
lehre erwuchs und entwickelte sich in engem Zusammenhang mit