Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

der Philosophie. Sie suchte den Staat philosophisch, d. h. als 
abstrakte Vorstellung, als Gattungserscheinung, als Staats- 
idee. zu begreifen, Infolgedessen erschien ihr der Staat als Ab- 
bild oder Bestandteil der Weltordnung. Die Entstehung des 
Staats (Staatsgrund) wurde aus den übersinnlichen Vorgängen 
des: Weltprozesses, — die Aufgabe des Staats (Staatszweck) 
aus den idealen: Zielen der Welt und der Menschheit 
abgeleitet, — also metaphysisch erklärt. Hieraus ergab sich, 
dass auch die Staatslehre in den Gegensatz der Anschauungen 
hineingezogen wurde, der die philosophische Metaphysik be- 
herrschte, — in die Gegensätze des Materialismus und Idea- 
lismus. In der antiken Philosophie wird die Staatslehre in 
das System des theistischen Idealismus durch Platon und Aristoteles 
eingefügt, während auf der Grundlage der demokritischen Atomen- 
lehre Epikur das Wesen des Staats mit Hilfe eines naturalistischen 
Materialismus, — Zeno (der Stoizismus) mit Hilfe eines pan- 
theistischen Materialismus zu erklären suchen. Derselbe Gegen- 
satz wird sodann in veränderter Form durch. die Wissenschaft der 
christlich-germanisch-romanischen Nationen wiederbelebt. In der 
christlichen Scholastik des Mittelalters (Thomas von Aquino) 
gelangt die idealistische Staatskonstruktion im Anschluss an Aristoteles 
zu unumschränkter Herrschaft.‘ Aber nachdem Bruno, Galilei auf 
naturwissenschaftlie::em Gebiet, der Italiener Macchiavelli (1469—- 
1527); der Franzose Bödinus (1580—1596), der Niederländer Hugo 
Grotius (1583—1645) auf politischem Gebiet mit der kirchlichen 
Lehre gebrochen, wird die Staatslehre von neuem in materialistische 
Systeme eingegliedert — von dem Engländer Hobbes (1588— 
1679) in ein naturalistisches, — von dem Niederländer Spinoza 
(1632—77) in ein pantheistisches. Ziemlich gleichförmig erklären 
die Idealisten die Entstehung des Staats organisch, als eine über 
dem Menschen stehende, unmittelbar aus göttlichem Keim erwach- 
sende Verkörperung der menschlichen Gattung, die ihre Thätigkeit 
unter den Vorschriften des göttlichen Rechts entfaltet; — die 
Materialisten fassen den Staat mechanisch auf, als Produkt 
zweckbewusster Veranstaltung der Binzelmenschen, besonders 
eines Vertrags (Sozial-, Staatsvertrags — MEpikur, Zeno, 
Hobbes, Spinoza) — das ‚Recht wird erst von diesem „ge-
	        
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