Richard Schmidt, Staatslehre 3.
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Gemeinschaft der Interessen hervorruft. Wie das Zusammenleben
seinerseits begründet worden ist, ist gleichgültig. Meist wird den
Kern einer‘ solchen Lebensgemeinschaft. eine durch gemeinsame
Abstammung verbundene und deshalb mit gemeinsamer Sprache,
Sitte, Religion, Ueberlieferung („Nationalität“) ausgestattete Gruppe
bilden. Aber einmal pflegt auch in einer grösseren Gruppe dieser
Art das Bewusstsein der Gründe der Verwandtschaft (Erinnerung
an die Stammeltern) verloren zu sein. Und vor allem kann ein
Zusammenleben auch zwischen mehr oder minder stammesfremden
Elementen durch die zufälligen Schicksale (Völkerwanderung,
Eroberung, Kolonisation, Auswanderung, Frauenraub etc.) ent-
stehen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen ihnen
vegründen, welches zum staatlichen Zusammenschluss treibt. Der
antscheidende Grund der Entstehung eines Staats ist also die
Wohnsitz oder Lebensgemeimnschaft seiner Glieder,
ınd zwar gleichviel ob der Wohnsitz ein wechselnder ist —- bei
nomadisierenden Jäger-, Fischer-, Hirtenvölkern oder
wandernden Völkern — oder ein fester — bei sesshaften
Völkern. Die Annahme ist unrichtig, als bestehe eine qualitative
Verschiedenheit zwischen dem öffentlichen Verband: der Nomaden-
und Wandervölker ‚und der sesshaften Kulturvölker: jener sei X . .
Stamm, blosser „Abstammungsverband“ — dieser Staat, „Gebiets- end vd Kart
verband,“ Die Kenntnis der Thatsachen lehrt vielmehr, dass auch Ja Mn
die „Stämme“ der heutigen Nomaden wie die Vorfahren der Wem Yom Ya Yu (
historischen Küulturvölker (Chaldäer, Hebräer, — Griechen, Kelten, . A YA
Germanen etc.) vor ihrer Niederlassung keineswegs notwendig auf N re
ainem Verwandtschaftsbewusstsein ihrer- Glieder beruhten, sondern( nn Kl Y X hr
einfach die Gruppen der zusammen wandernden Menschen bedeuten. ha A % ; Aa
Häufig entstehen sie durch Vermischung früher getrennter Ornppenn. Zy5 Mh in }
sogar solcher von verschiedenen Rassen, spalten sich, setzen eh Yo A KA
neu zusammen. Andrerseits ziehen. auch die sog. Nomaden häufig ‘ % I]
innerhalb eines abgegrenzten‘ Territoriums umher, in. welchem die TA a.
[nteressensphären der einzelnen Stämme in gewissem Grade verteilt X I
sind, Es bestehen also zwischen „Stamm“ und Staat im eng. 5 Gt I © dh - A
anzählige Uebergangsstufen und umgekehrt wirkt auch bei volle N Ä
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