Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

Man kann nicht der Monarchie allgemein grössere Stetigkeit im 
Gegensatz zur Demokratie, der Demokratie grössere Volkstüm- 
lichkeit (Gleichheit) gegenüber der Monarchie beilegen. Nur von der 
strengen Aristokratie lässt sich sagen, dass sie ausschliesslich in 
solchen Verhältnissen möglich ist, wo eine obere Klasse auch die 
überwiegenden Lasten des Staatslebens trägt (homerisches, germa- 
nisches Mittelalter). Im übrigen kann man nur mit Rücksicht auf 
die verschiednen Aufgaben, Parteigruppierungen eines Volks im 
gegebenen Zeitpunkt aussagen, dass eine Regierungsform vor einer 
andern gewisse Vorzüge in ganz bestimmten Richtungen voraus 
haben würde, ohne dass man dadurch eine Regierungsform schaffen 
oder erhalten kann. Thatsächlich ist denn auch niemals eine be- 
stimmte Regierungsform das Produkt der Reflexion. Sie erwächst 
vielmehr stets aus den politischen Leistung en einer bestimmten 
gesellschaftlichen Macht, In neu entstehenden Staaten gewinnt 
die Regierung die Persönlichkeit oder Klasse, die den Staat (meist durch 
Militärorganisation) gegründet hat. In bestehenden behält die 
traditionell regierende Macht die oberste Staatsleitung solange sie ihre 
Funktion erfüllt, denn erfahrungsgemäss widerstrebt jeder Staat dem 
Wechsel der Regierung, da die Fortdauer der bisherigen Form der 
obersten Leitung der Geschäfte an und für sich ein Vorteil ist. (Grosser 
Vorzug der monarchischen Entwicklung der neueren Staatenwelt 
gegenüber der Antike: richtiger Kern des „Königtums von Gottes 
Gnaden“). Ein Wechsel der Regierungsform findet durchgehends 
nur da statt, wo der bisherige Regent längere Zeit hindurch 
überhaupt unthätig wird (Merowinger, Bourbonen des 18, Jh.) 
oder wo er in ganz besonders andauernder und empfindlicher Weise 
dem Interesse grosser Volksgruppen zuwiderhan delt: (Staufer 
in Italien, Stuarts), Regelmässig wird dann der Wechsel in der 
Weise stattinden, dass ein andres Staatsorgan, vor allem das 
bisher nur kontrollierende, sei es friedlich, sei es gewaltsam die 
Regierung an sich zieht, vorausgesetzt, dass es hierzu Verständnis 
und Macht findet (Adelsrat, Senat neben dem antiken Stadt- 
könig, Kurfürsten neben dem deutschen König, englisches Parlament 
im 18. Jh.). Der bisherige Regent kann dann beseitigt werden, 
kann aber auch zum blos repräsentierenden Staatshaupt herabsinken 
(o. 8 4) oder seinerseits Kontrollorgan werden. (Der Areopag,
	        
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