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Korolenko, Wladimir Galaktionowitsch.
Ich befahl dem Kutseher zu halten, und wir wurden
von einem rotbäckigen Dorfhändler eingeholt.
Er rauchte sich sein Pfeifchen an, präsentierte mir das
Zündholz und sah mir ins Gesicht,
„Sind Sie nicht Juden?“
Nein, wir sind keine Juden.*
„Wie schade! Und ich, dachte, ob mir nicht der Henr
gott wieder 'mal meinen Juden schicken wird.*
„Wozu braucht Ihr denn den Juden?“
„Hm ja,‘ versetzte er schmunzelnd und sich im Nacken
kratzend — „ich hab’ hier mit einem Juden öfter Geschäfte
gemacht und 'nen guten Preis bekommen. Aber man hat
ihn kalt gestellt, dass er überhaupt nicht mehr in Pawlow
handeln darf. Jetzt muss man sogar schon "nem Juden
nachweinen !*
„Weshalb hat man ihn denn weggebracht?*
»Wer weiss das! Man sagt, sie bedrückten das Volk
zu sehr. Aber nach meiner Meinung kann für 'nen Dorf-
händler von einer Unterdrückung keine Rede sein. Mag
sein, dass es anderwürts so ist —- zu uns kam er, kaufte,
zahlte Geld und empfahl sich wieder. Die Aufkiufer waren
ihm freilich nicht grün; das stimmt!
»Warum denn das?*
,Na, wissen Sie, der Jude lüuft Ihnen ja zehn Werst
weit zu Fuss, wenn er zwei Prozent verdienen kann, und
den Andern musst du fünfzehn Prozent geben, weil die
nimlich mit Trabern fahren*.
„Sagt doch einmal,‘ fragte ich ernsthaft, „sind denn
wirklich die Preise niedriger geworden, seit die Juden ver-
trieben worden sind?“
„Wer weiss es, weshalb sie fallen mögen! Einer sagt,
Moskau habe die Preise verdorben. Kann auch sein, natür-
lich. Bei uns sagt man: ,Wenn's in Moskau zu viel wird,
wird's bei uns zu wenig! . .. Na, um wieder darauf
zurückzukommen: früher hat der Jude die Ware von mir
oder von ?nem andern bezogen. Jetzt stellt sie ihm der
Aufkäufer zu. Nun, der Jude muss verdienen, und der Auf-