Full text: Die Juden in Russland; Urkunden und Zeugnisse Russischer Behörden und Autoritäten

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andern begeben darf, während sein Vater, seine Mutter 
oder seine Geschwister dieses Recht nicht besitzen . . 
Jede halbe Massnahme schliesst stets eine kurze Dauer 
ihrer Wirksamkeit in sich ein. Während sie nach irgend einer 
Seite hin gewisse Bedürfnisse befriedigt, entfaltet sie nach 
anderer Seite eine Wirkung, die in krassem Widerspruch zu 
andern Lebensbedingungensteht. Deshalb vermógen alle halben 
Massregeln immer nur von vorübergehender Bedeutung zu sein, 
doch kónnen sie immerhin insofern segensreich sein, als sie für 
die nächste Zukunft den Boden vorbereiten. Darin liegt auch 
der tiefe Sinn und die hohe Bedeutung der in letzter Zeit 
bezüglich der Juden vollzogenen Reformen: sie haben für 
die allseitige Lósung dieser Frage eine brauchbare Grundlage 
geschaffen. Die Gegner der Gleichberechtigung der Juden 
werden natürlich einwenden, dass noch Decennien vergehen 
werden, bis die Juden, selbst wenn sie im Besitze aller 
bürgerlichen Rechte sind, sich so weit ändern, dass sie im 
Stande sein werden, vollständig mit dem russischen Volke 
zu verschmelzen und im wahren Sinne des Wortes russische 
Bürger jüdischen Glaubens zu sein. Auf solche Einwen- 
dungen können wir nur mit den Worten eines berühmten 
französischen Staatsmannes aus dem Ende des vorigen Jahr- 
hunderts erwidern: „Ihr behauptet, dass noch Jahrzehnte 
vergehen werden, bis die Juden, auch im Besitze aller 
Bürgerrechte, mit uns verschmelzen werden. Wohlan denn, 
so beeilt euch, macht euch sofort an die Arbeit, damit diese 
Jahrzehnte recht bald entschwinden!* 
VI. — (1880. No. 123) —. Welche angceblichen oder 
wirklichen Fehler die Juden nach der Versicherung ihrer 
Gegner auch besitzen, welche Nachteile sich auch in der 
ersten Zeit nach Erteilung der Gleichberechtigung heraus- 
stellen mógen, all diese Fehler und Nachteile müssen, wie 
die Fehler anderer Nationen, der Kontrolle und einer Rege- 
lung durch die allgemeinen Staatsgesetze unterworfen werden. 
Bereits vor 7O Jahren hat Kaiser Alexander I. bei einer 
speciellen Gelegenheit — es handelte sich um ein Gesuch 
der Repräsentanten von Kiew, den Juden den Aufenthalt in 
Kiew zu verbieten — diesem Gedanken einen sehr zutreffen-
	        
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