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scher und protestantischer Staaten vollzogen. Wollten wir
in Russland die Rechte der Protestanten schmälern, so
würden wir ohne Zweifel auf diesem Wege auf verschiedene
Vorstellungen und Einwendungen seitens der protestanti-
schen Staaten stossen. Dies alles ist ausgeschlossen, wenn
es sich um die vollständige Gleichberechtigung der Alt-
gläubigen und der Juden handelt, da hier von einem Drucke
von aussen her nicht die Rede sein kann. Die Aner-
kennung der Gleichberechtigung der Einen wie der Andern
kann bei uns nur als Resultat unserer eigenen Staatsent-
wickelung, unserer eignen politischen Reife erfolgen. Wir
haben in dieser Beziehung von keiner Seite Hilfe zu
erwarten, noch weniger einen Druck zu befürchten. Wir
müssen selbst uns um das bekümmern, was uns abgeht.
Darum betrachten wir die antisemitischen Erscheinungen in
Deutschland als äusserst traurige auch für uns, da sie die
allgemeine Entwickelung der humanen Ideen hemmen und
für ungebildete Menschen als eine Rechtfertigung der rohen
Instinkte gelten können, die bei uns oft mit verblüffender
Offenheit zum Ausbruch kommen . .
Aber mógen die Nachteile, welelie die Nielitanerkennung
der allgemeinen Humanitütsprineipien im Gefolge hat, noch
so gross sein, so treten sie doch leider nicht mit einer solchen
mathematischen Bestimmtheit hervor, wie die Nachteile, die
sich aus der Nichtanerkennung irgend welcher technischen
Vervollkommnuug ergeben. Würde sieh irgend ein Staat
dazu entschliessen, jede Verbesserung im Mechanismus des
Schiessgewehres oder in der Mobilisierung und Dislocierung
der Truppen abzulehnen und zu ignorieren, dann würde ihn
das im nächster Kriege gar teuer zu stehen kommen, in den
er unter solchen Umständen von seiten der feindseligen
Nachbarn nur um so eifriger hineingezogen werden würde.
Ganz anders verhált es sich mit dem Ignorieren der Entwicklung
allgemeiner Ideen: iu. diesem Falle stellt sich der Schaden bei
diesem oder jenem Ereignis vielleicht àusserlich gar nicht
heraus, wirkt aber um so verderblicher, weil er eine Vergiftuug
und Zersetzung des ganzen Staatsmechanismus herbeiführt . . .
Die Neider und Feinde unseres staatlichen Wachstums