GÜR geschaffen. Diese, in Tarifverträgen vereinbarten GÜR - Regelungen
sind Gegenstand der folgenden Betrachtung.
3.2.2 Der GÜR in der chemischen Industrie
3.2.2.1 Zur historischen Rekonstruktion der Regelung
Als am 1. März 1985 der "Tarifvertrag über Vorruhestand und Alters —
Teilzeitarbeit” für die Arbeitnehmer der chemischen Industrie vereinbart
wurde (gültig ab 1.5.1985, Außerkraftsetzung am 31.12.1988), wurde ein
Vertrag tarifiert, der eigentlich schon wesentlich früher, nämlich 1984 hätte
zustandekommen sollen.
1984 hatte die IG Chemie aus Rücksicht, aber auch auf Druck der IG
Metall, die damals für die 35- Stunden — Woche kämpfte, ihre Forderung
nach tariflicher Umsetzung des Vorruhestandsgesetzes zurückgestellt,
obwohl man zeitlich vor den Metallern dran gewesen wäre, zu verhandeln.
In der IG Chemie geht man entsprechend davon aus, daß man 1984 eine
wesentlich bessere Vorruhestandsregelung hätte erreichen können, als dies
1985 letztlich gelungen ist. Zurückgeführt wird dies auf den politischen
Signalcharakter, den 1984 eine Lebensarbeitszeitverkürzungsmaßnahme
gehabt hätte und die von den Arbeitgebern entsprechend unterstützt wor —
den wäre. 1985, die IG Metall hatte bereits den Einstieg in die 35
Std./Woche geschafft, sah die Verhandlungssituation der IG Chemie jedoch
ganz anders aus, "weil das Interesse der Arbeitgeberseite, aus diesen
politischen Gründen heraus Vorruhestand zu machen, nicht mehr da war”
(IG Chemie). Das Eintreten der IG Chemie für eine Vorruhestandsver —
einbarung erklärt sich dabei vor allem daraus, daß man aufgrund der
spezifischen Altersstruktur in der chemischen Industrie in einer Lebens —
arbeitszeitverkürzungsmaßnahme ein wesentlich besseres Arbeitsmarkt —
instrument sah als in der Wochenarbeitszeitverkürzung.
Anders als im Metallbereich, insbesondere der Stahlindustrie, wo zum
damaligen Zeitpunkt kaum noch über 55jährige Arbeitnehmer beschäftigt
waren und eine Vorruhestandsregelung arbeitsmarkt- und beschäfti—
gungspolitisch praktisch keine Wirkung gehabt hätte, gab es in der che-—
mischen Industrie noch einen relativ hohen Anteil an über S5Jährigen.
Entsprechend lautete die damalige Grundsatzforderung der IG Chemie:
Einführung einer Vorruhestandsregelung für alle Arbeitnehmer ab 58
Jahren. Diesen Grundsatz galt es zunächst einmal in den Tarifverhand —
jungen durchzusetzen, insbesondere, weil die Arbeitgeber zunächst einmal
keine Vorruhestandsvereinbarung machen wollten; 1985 war tendenziell
schon wieder eine gewisse Absetzbewegung weg vom Vorruhestand bei
den Arbeitgebern erkennbar, insbesondere weil man eine gewaltige
Kostenflut auf die Unternehmungen zukommen sah.
MM