stehen dazu und sind bereit, jemanden, der 30 und mehr Jahre gearbeitet
hat, bis zur Pensionierung mitzuschleppen, auch wenn er nicht mehr die
volle Leistung bringt") ist natürlich sehr teuer. Hier bietet der gegenüber
der vollen Bezahlung günstigere Vorruhestand oder auch der GUR die
Möglichkeit, Kosten zu senken.
Diese Chance zur Kostenreduktion ist für die Unternehmung allerdings
nur dann gegeben, wenn sich das betriebliche Interesse mit dem des äl-
teren Arbeitnehmers verbindet. Der ältere Arbeitnehmer kann sich nämlich
auch gegen eine Inanspruchnahme der Tarifregelung aussprechen und bis
zum Erreichen der "Normal - Altersgrenze" weiterarbeiten.
Hier zeigte sich aber, daß für die Jüngeren die Chancen steigen, einen
unbefristeten Arbeitsplatz zu erhalten, wenn die Älteren sich für den
Vorruhestand entscheiden. Sie fühlen sich somit häufig auch einem Soli-
dar—- und Moraldruck ausgesetzt, der einen "Selbst - Selektionsprozeß" in
Richtung Vorruhestand in Gang setzt. "Vor diesem Hintergrund wird
deutlich, wie schwierig es ist, eine ’freie’ Entscheidung zu treffen, wenn
existenzielle Belange von Mitarbeitern aus der eigenen Belegschaftsgruppe
berührt werden, wenn also Ausgebildete entweder nur befristet oder gar
nicht übernommen werden. Berücksichtigt man dieses Kommunikations —
klima ..., so wird ein Teil der ... hohen Inanspruchnahmen (der Vorruhe —
standsregelung) ... verständlich"?
Auch in der Haltung der Betriebsräte muß ein wesentlicher Grund für
die geringe Inanspruchnahme des GÜR gesehen werden. Hierbei ist zu
berücksichtigen, daß in der chemischen Industrie das Verhältnis zwischen
dem größten Teil der Betriebsräte und der Personalleitung als gut und
kooperativ bezeichnet werden kann. Beide Seiten fahren in der Regel eine
Strategie der konsensuellen Konfliktlösung, sind also eher auf Konsens
denn auf Konflikt aus. Da von der IG Chemie der Vorruhestand als der
zentrale Punkt im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit "verkauft"
wurde, überrascht es nicht, daß dieser dann von den Betriebsräten auch
primär aufgegriffen und zum zentralen Anliegen erklärt wurde. Betriebsräte
haben dabei Personalleitungen gezielt gedrängt, nicht mehr so stark in
Richtung Alters — Teilzeitarbeit zu wirken: "Na ja, wir hätten schon mehr
in Richtung Alters — Teilzeit getan, wir haben das aber auch so ein
bißchen mit Rücksicht auf den Betriebsrat nicht getan, weil der stärker am
Vorruhestand interessiert war" (Personalleitung)*?
41 Kohli, M. u.a. (1988), S. 47.
Daß die Betriebsräte die Vorruhestandsregelung präferieren, bestätigen auch die
Untersuchungen der Prognos AG. Betriebsräte würden danach zum einen aus
Gründen der Arbeitsmarktentlastung den Vorruhestand bevorzugen. Zum anderen
zäbe es Befürchtungen, daß es im Zusammenhang mit der Einführung des GÜR zu
Arbeitsverdichtungen und -— intensivierungen und zu einer dauerhaften Umwandlung
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