Full text: Die Praxis des gleitenden Übergangs in den Ruhestand

Die Vorruhestandsregelung als Alternative zum GÜR hat sich somit 
gerade auch in der chemischen Industrie als "Killer" der Alters — Teilzeit — 
arbeit erwiesen. Der Antrag auf GÜR wurde entsprechend von den älte — 
ren Arbeitnehmern häufig nicht ernsthaft, sondern nur instrumentell 
gestellt. Über eine Ablehung des GÜR - Antrages erwartete man -— 
nachdem man auf informeller Ebene die Sachlage geklärt hatte —, in den 
Vorruhestand gehen zu können. In der von uns näher untersuchten 
Unternehmung sind unter den 793 Vorruheständlern gar 202 abgelehnte 
GUR - Anträge, was einem Anteil von über 25% entspricht. Wie stark der 
Wunsch der älteren Arbeitnehmer ist, nicht den GÜR, sondern die Vor - 
ruhestandsregelung in Anspruch zu nehmen, zeigt sich zudem darin, daß 
viele ältere Arbeitnehmer ihren GUR — Antrag zurückgezogen haben, als 
sie erfuhren, daß ihm stattgegeben würde (und dies, obwohl in dieser 
Unternehmung der Wechsel vom GUR in den Vorruhestand möglich ist): 
"aber daß Mitarbeiter die Anträge auf Alters — Teilzeit zurückgezogen 
haben, und zwar in den Fällen, wo der Betriebsrat sagte, Alters — Teilzeit 
ist möglich, also kein Vorruhestand angeboten wurde, das ist häufig pas -— 
siert” (Personalleitung). 
Kohli u.a. (1988) berichten von einer Unternehmung, in der die 
Unternehmungsleitung sehr stark die Alters — Teilzeitarbeit präferiert und 
sich konsequent weigert, GÜR — Anträge in Vorruhestandsverträge umzu — 
wandeln. In dieser Unternehmung sind es überwiegend Frauen, die den 
GUR in Anspruch nehmen, während Männer ihn wegen seiner Realisie — 
rungschancen erst gar nicht beantragen und mit 60 in den Vorruhestand 
gehen**. Fälle eines "indirekten" Vorruhestandes gibt es in diesen Unter — 
nehmungen praktisch nicht. Der GÜR dient dabei der Unternehmungslei — 
tung im wesentlichen als Instrument eines flexibleren und kostengünstige — 
ren Personaleinsatzes; wegen der bevorstehenden Schließung eines 
Betriebsteiles können Arbeitsplätze allmählich — durch Nicht -— Wieder — 
vesetzung — abgebaut werden!“ 
Die relativ hohe Inanspruchnahme der GÜR- Regelung hängt sehr 
stark damit zusammen, daß es sich überwiegend um angelernte Frauen -— 
tätigkeiten handelt, die sehr leicht teilbar sind und mit keinen Führungs — 
., 
von Voll- in Teilzeitarbeitsplätzen käme oder die Arbeitsplätze gar völlig wegfielen 
(Prognos AG 1986, S. 170ff). 
Vgl. Kohli, M. u.a. (1988), S. 42ff. 
Auch wenn die Prognos AG in ihrer Untersuchung feststellt, daß es in einer Situa — 
ion des Personalabbaus teurer sei, einen Arbeitsplatz, den man eigentlich nicht 
mehr brauche, in Alters — Teilzeitarbeit zu erhalten, als den Arbeitsplatz aufzugeben 
und den Vorruhestand zu bezahlen (Prognos AG 1986, S. 167), muß im Falle der 
hier betrachteten Unternehmung davon ausgegangen werden, daß die Arbeitskräfte 
noch eine Zeitlang benötigt werden. 
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