4.1 Unternehmung A
Die mittelständische Unternehmung beschäftigte, bevor sie ihr Personal
erheblich reduzieren mußte, ca. 300 Beschäftige im gewerblichen Bereich
und ca. 1.800 Angestellte. Die Unternehmung hat ihren Sitz in einer
ländlichen Region und ist im Tarifbereich von Nahrung, Genuß und
Gaststätten tätig.
Die Unternehmung ist für ihre innovative Sozialpolitik bekannt. So ist
der GÜR eingebettet in eine ganze Reihe anderer sozialpolitischer Maß —
nahmen zugunsten älterer Beschäftigter. So gibt es eine Verdienstsicherung
für ältere Beschäftigte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, die zehn
Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen und aufgrund gewandelter Lei-
stungsfähigkeit eine niedriger einzustufende Tätigkeit ausüben müssen.
Ferner verpflichtet sich die Unternehmung in einer Betriebsverein —
barung, 10% der Arbeitsplätze älteren Mitarbeitern zur Verfügung zu
stellen und mindestens einmal im Jahr eine Versammlung der älteren
Mitarbeiter im Betrieb durchzuführen.
Darüber hinaus ist im Rahmen des GÜR ein Programm zur Vorberei-—
tung auf den Ruhestand vorgesehen.
Anspruchsberechtigt sind laut Betriebsvereinbarung alle Mitarbeiter des
Innendienstes, die bis zum 1 1/2 -fachen der höchsten Tarifstufe verdie —
nen. Außendienstmitarbeiter sind also von der Inanspruchnahme des GUR
ausgeschlossen. Männer können den GÜR ab Vollendung des 60., Frauen
und Schwerbehinderte ab Vollendung des 58. Lebensjahres in Anspruch
nehmen, wenn sie jeweils eine Betriebszugehörigkeit von über 10 Jahren
aufweisen.
Der GÜR besteht aus zwei Gleitstufen. Die erste Gleitstufe sieht eine
Reduzierung der Arbeitszeit um 12,5% auf 35 Stunden vor. In der zweiten
Gleitstufe verkürzt sich die wöchentliche Arbeitszeit um weitere 12,5% auf
30 Stunden. Die Reduzierung der laufenden Bezüge einschließlich der
übertariflichen Zulagen wird im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit —
verkürzung vorgenommen, wobei die Hälfte des Differenzbetrages als sog.
Übergangsausgleich von der Unternehmung gezahlt wird.
Nach Aussagen der Personalleitung ist der GUR primär ein Beitrag zur
Humanisierung der Arbeitswelt, nur sekundär ein solcher zur Lösung des
Arbeitsmarktproblems.
Im Betriebsrat gab es keine einstimmige Verabschiedung über den
GÜR. Der stellvertretende Betriebsrat sprach sich gegen den GUR mit
dem Argument aus: "Ich muß nicht noch durch den GUR darauf hinge —
wiesen werden, daß ich in Kürze abzutreten habe, ob mit 65 oder mit 67"
(128). Die Personalleitung führt die geringe Teilnahme am GUR auch auf
die Opposition innerhalb des Betriebsrates zurück (128).
Die Zahlen beziehen sich auf Textstellen der transkribierten Interviews.
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