Full text: Die Praxis des gleitenden Übergangs in den Ruhestand

Dominanz berufsbedingter Sozialkontakte zu verringern und durch andere 
Beziehungen zu ersetzen, ohne daß der Wegfall eine Kontaktlücke hin - 
terläßt".!* 
Gleichzeitig kann der Lebenssinn allmählich von der Arbeit auf andere 
Aktivitäten und Betätigungsfelder gelenkt werden und so das oftmals vor - 
herrschende Gefühl der Unersetzbarkeit langsam abgebaut und ein Gefühl 
des Überflüssigseins verhindert werden. 
Diese fließende, allmähliche Umorientierung kann das Finden einer 
neuen Rollenidentität im Alter erheblich erleichtern und einen wesentli-— 
chen Beitrag zur Vermeidung von Anpassungskonflikten (vom Pensionie — 
rungsschock bis hin zum _Pensionierungstod:*) beim Übergang vom 
Erwerbsleben in den Ruhestand bewirken. 
Das Eintreten in den Ruhestand ist also mehr als nur die Aufgabe 
einer mehr oder minder geschätzten Berufstätigkeit; es bedeutet auch die 
Konfrontation mit neuen Rollen- und Verhaltenserwartungen, bedeutet 
die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich vorgegebenen Altersstereotypen 
(z.B. hinsichtlich der körperlichen Verfassung, der psychischen Befindlich — 
keit, des Interaktionsverhaltens, Sexualverhaltens etc.!5). Gleichzeitig ver- 
langt der "Ruhestand" nicht nur eine Umstrukturierung von Sozialkontakten 
(insb. auch in der häuslichen und partnerschaftlichen Situation), er ist mit 
einer Neuorganisation des Lebens, eines Lebens ohne Berufstätigkeit, 
verbunden. 
"Der gewohnte und über Jahrzehnte hinweg entwickelte Lebensstil, 
repräsentiert in bestimmten Formen des Zuhauseseins, des Familienlebens, 
der Gestaltung des Feierabends, des Ausspannens oder des sozialen 
Beziehungsgefüges, wird plötzlich in Frage gestellt, verliert im Hinblick auf 
die neue Situation seinen Sinn und muß von den Betroffenen für das 
weitere Leben neu definiert und gestaltet werden".!®* Es kommt zu einer 
Verlagerung des persönlichen Engagements von einer Welt der Erwerbs — 
tätigkeit auf eine Welt der Freizeit.*7 
Die mit der Verrentung (im abrupten Sinne) verbundene Verfügung 
über mehr Freizeit bedeutet nun aber nicht nur, daß die bisher für die 
Erwerbsarbeit benötigte bzw. durch sie beeinflußte Zeit als Zeitbudget zur 
Verfügung steht, der Wert und der Sinn der Freizeit verändern sich; dies 
liegt im wesentlichen darin begründet, daß mit dem fehlenden Zwang, das 
eigene Verhalten den Anforderungen der Berufsarbeit anzupassen ("Dik — 
tatur des Weckers"), die Freizeit ihre kompensatorische und regenerative 
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JA 7 
Vgl. Lampert, H./Schüle, U. (1987), S. 4; Schüle, U. (1987), S. 65 
Vgl. Dreher, G. (1970); Geist, H.(1968); Jores, A./Puchta, H.G. (1959); Schüle, 
U.(1987), S. 57-62 
Vgl. z.B. Aaronson, B.S. (1966) 
Vgl. Schmitz — Scherzer, R. (1987), S. 54 
Vgl. Schüle, U. (1987), S. 56 
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