Full text: Die Praxis des gleitenden Übergangs in den Ruhestand

ment des Aufbaus einer Personalreserve für den potentiellen Personal- 
abbau)®® 
Aus den USA ist zu hören, daß der "Markt" bereits darauf reagiert hat, 
daß das Durchschnittsalter der Amerikaner und damit die Anzahl älterer 
und verrenteter Menschen immer höher wird. Die "Entdeckung" der Alten 
als (z.T. zahlungskräftige und damit mächtige) Konsumentengruppe, aber 
auch der Zeitgeist, demzufolge die Amerikaner dem Idealbild der "ewigen 
Jugend" abschwören, daß sie von der "Ex- und Hopp- Gesellschaft die 
Nase voll haben" und sich nach Beständigkeit sehnen (und dafür sind die 
Alteren ein Symbol), hat viele Unternehmungen dazu veranlaßt, ihren 
Beschäftigten bei Erreichen des Rentenalters höhere Löhne und kürzere 
Arbeitszeiten anzubieten, um sie zum Bleiben zu bewegen. Begründet wird 
dies z.B. damit, daß Senioren von etwa Gleichaltrigen bedient werden 
wollen. "Wer noch nicht das Rentenalter erreichte, hat im plötzlich 
’altersverrückten’ Amerika oft das Nachsehen: Mehrere Schnellrestaurants 
im sonnigen ’Rentnerparadies’ Florida stellen inzwischen nur noch 
Arbeitnehmer über 65 Jahren ein. 
Bei denen fühlen sich unsere Kunden als Altersgruppe wohler’. Gleich 
mehrere Agenturen in New York nehmen nur noch Mannequins unter 
Vertrag, die mindestens den 55. Geburtstag gefeiert haben: ’Auch Senioren 
interessieren sich für Mode, und denen können wir doch nicht Kleider 
von ihren Enkeln vorführen lassen’."®° 
Diese Beispiele machen deutlich, daß die traditionelle Verrentungspraxis 
als abrupte, vorzeitige Verrentung den komplexen Bedürfnissen und 
Anforderungen der Arbeitswelt und Lebensstile in hochindustrialisierten 
Ländern nur noch eingeschränkt gerecht wird. 
Auch wenn angesichts der gegenwärtigen und der über die Jahrhun - 
dertwende hinaus prognostizierten Arbeitsmarktsituation mit relativ hoher 
Arbeitslosigkeit der GUR als Instrument des flexiblen Personaleinsatzes 
wenig relevant erscheint, auch wenn angesichts von derzeit mehr als 2 
Millionen registrierten Arbeitslosen es für viele zynisch klingen mag, über 
eine Verlängerung bzw. Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit nachzuden — 
ken, so sind diese Argumente aus einzelwirtschaftlicher Sicht zu ober - 
flächlich, auf jeden Fall aber zu wenig differenziert. Denn selbst bei 
hohem Arbeitskräfteüberschuß auf dem (Gesamt-) Arbeitsmarkt werden 
nicht alle Berufs- und Qualifikationsgruppen in gleichem Umfang von 
Arbeitslosigkeit getroffen bzw. auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt. Unter — 
nehmungen können von daher, insbesondere auch in Abhängigkeit von 
ihrem Produktionsprogramm und ihrem Standort, durchaus nicht aus dem 
"Vollen schöpfen", sondern sind auf sorgfältige personal — akquisitorische 
89 Vgl. hierzu die Unternehmung G 
90 Neue Osnabrücker Zeitung vom 29.03.1986, S. 3: "Plötzlich sind die Alten ’in’.'
	        
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