Dabei geht es uns auch darum aufzuzeigen, wie auf betrieblicher Ebene
die im Zusammenhang mit dem GÜR aufgetretenen Probleme bewältigt
werden.
Eine Untersuchung, die auf der betrieblichen Ebene verharrt und nur
die Erwartungen und Erfahrungen der Arbeitgeber — bzw. Arbeitnehmer —
vertretungen erfaßt, muß als einseitig und damit unzureichend betrachtet
werden. Der Erfolg von arbeitszeitpolitischen Innovationen wie dem GUR
hängt nämlich nicht nur von der Arbeitgeber — bzw. Arbeitnehmervertre —
tung und der "objektiven" Architektur des GÜR ab, sondern insbesondere
auch davon, wie sich dieses Verrentungsmodell in der Wahrnehmung der
betroffenen Arbeitnehmer widerspiegelt. Von elementarer Bedeutung sind
von daher auch die Erwartungen, Präferenzen und tatsächlichen Verhal-
tensweisen der (anspruchsberechtigten) älteren Arbeitnehmer. Dies insbe —
sondere auch deshalb, weil anspruchsberechtigte ältere Arbeitnehmer 1.d.R.
nicht zur Inanspruchnahme‘ einer bestimmten Verrentungsalternative
gezwungen werden können; im Gegenteil, ihnen kommt häufig ein Wahl —
recht zu, ob sie den gleitenden Übergang in Anspruch nehmen wollen
oder nicht. Über diese Zusammenhänge ist das empirisch fundierte Wissen
aber besonders begrenzt. Hat sich die wirtschaftswissenschaftliche For -—
schung in der Vergangenheit vor allem um die Entwicklung normativer
Aussagen über optimales (Verrentungs—-) Verhalten unter bestimmten
Bedingungen beschäftigt?*. so‘ haben wir uns bemüht, auch den Zugang
zur idiographischen Individualität einzelner Lebens—- und Sprachformen
älterer Arbeitnehmer zu suchen und von dieser Seite her den Kontext der
Verrentung zu erhellen.
Ein weiterer Zielkomplex unserer Untersuchung liegt von daher in der
Rekonstruktion des individuellen Entscheidungsprozesses für den GUR.
Wir wollen die individuelle Motivationsstruktur herausarbeiten, die zur
Wahl des GÜR geführt hat, wollen die Faktoren aufdecken, die die kon -—
krete Handlungssituation und damit die tatsächliche individuelle Entschei —
dung für den GUR bestimmten.
Zudem geht es uns auch auf individueller Ebene darum, die Erwar —
tungen der älteren Arbeitnehmer an den GÜR mit den gemachten
Erfahrungen im GUR zu kontrastieren.
Ein wichtiges Ergebnis unserer Untersuchung wird zudem sein, den
potentiellen Konflikt zwischen der sozialpolitischen und gerontologischen
Wünschbarkeit des GÜR und den Schwierigkeiten der betrieblichen Re -—
alisierung auf der einen und der mangelnden Akzeptanz auf individueller
Ebene auf der anderen Seite aufzuhellen.
A So auch der Vorwurf von Jacobs, K./Schmähl, W. (1987), S. 14
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