[nteressen von Kapital und Arbeit, notfalls auch auf dem Wege sozialer
Machtauseinandersetzungen in Form von Arbeitskämpfen, kompromißfähig
machen"*, Von daher haben Tarifverhandlungen immer auch den Charak —
ter von aktiven (Aus — JTauschbeziehungen, wobei Leistung und Gegenlei —
stung von beiden Parteien als in einem akzeptablen Verhältnis zueinander
stehend eingeschätzt werden müssen.
Wenn im folgenden der GÜR als eine tarifpolitische Strategie sozialer
Ausgleichsprozesse und in seiner konkreten Form als Ergebnis bzw.
Kompromiß tarifpolitischer Auseinandersetzungen betrachtet wird, so ist
von uns ein Ansatz zugrunde gelegt, der neben strukturellen Größen (wie
z.B. ökonomische Situation, technologisches Niveau, Machtbeziehungen etc.)
auch die verhandelnden Aktoren, deren Beziehungen und die dahinter
stehenden Personen (einschließlich deren Verhandlungsmacht und Ver-
handlungsstil, Vorstellungen von Tarifpolitik etc.) miteinbeziehen will.
"Aus diesem Ineinandergreifen von individuellen und strukturellen
Variablen entwickeln sich Zielvorstellungen, die das Verhandlungsverhalten
der Aktoren prägen"®.
Da das Verhalten der Aktoren Arbeitgeber( - verband) und Gewerk-
schaft aber nicht isoliert voneinander betrachtet werden kann, sondern
neben gesellschaftlich — ökonomischen Rahmenbedingungen immer auch das
(antizipierte) Handeln der anderen Partei in Rechnung gestellt werden
muß, rücken zwangsläufig Prozesse strategischer Auseinandersetzungen um
kontroverse Standpunkte in den Mittelpunkt auch unserer Untersuchung.
Die Rekonstruktion dieser Auseinandersetzungen, hier konkret bezogen auf
den GÜR, sind von daher Hauptgegenstand der folgenden Betrachtungen.
Aufgrund der sehr großen Unterschiedlichkeit im Vorhandensein sekun-
däranalytischen Materials wie auch des von uns erhebbaren Materials fal-—
len diese einzelnen Fallbeschreibungen aber quantitativ und qualitativ sehr
unterschiedlich aus.
3.1 Der GÜR in der deutschen Zigarettenindustrie
3.1.1 Zur historischen Rekonstruktion der Regelung
Am 1.September 1978 trat die nach dem Verhandlungsort in der Lüne-—
burger Heide im Branchenjargon "Sudermühlenregelung" genannte "Son -—
derregelung für ältere Arbeitnehmer" in der Zigarettenindustrie in Kraft,
Bevor jedoch der Implementationsprozeß dieser Regelung konkret rekon-
struiert wird, gilt es, die sozioökonomischen Bedingungen und Entwick —
lungen dieser Branche etwas näher zu beleuchten.
Müller — Jentsch, W. (1986), S. 158.
Schienstock, G. (1982), S. 111.