Abkehr von der ausschließlich auf wirtschaftlichen und tariflichen Zuwachs
orientierten Verteilungspolitik, hin zu einer Tarifpolitik, in deren Mittel-
punkt die Humanisierung der Arbeit, die Sicherung und Schaffung von
Arbeitsplätzen stand. ’Freizeit statt Erschwerniszulage’ hieß die Parole.
Schwerpunkte waren Arbeitszeitverkürzungen für besonders belastete Per —
sonengruppen wie: Schichtarbeiter, ältere Arbeitnehmer, Arbeitnehmer mit
besonders belasteten Arbeitsabläufen und Arbeitsumgebungen"“°.
Durch kollektivrechtliche Maßnahmen, die nicht mehr allein auf Ein-
kommenssicherung und —erhöhung, sondern primär auf Maßnahmen zur
Kompensation und Vermeidung von negativen Auswirkungen der
Erwerbstätigkeit auf die Arbeitnehmer ausgerichtet waren, sollten spezifi —
sche Risiken besonderer Arbeitnehmergruppen (z.B. das Risiko der Ge-—
sundheits —, Leistungs -, Qualifikations -, Mobilitäts- etc. — Beeinträch —
tigung und damit auch ein erhöhtes Arbeitsplatzrisiko) gemindert und —
falls möglich‘ — vollkommen abgebaut werden. Von daher bezogen sich
die Forderungen der NGG vor Verabschiedung der "Sudermühlenregelung”
auf "zusätzliche Schichtfreizeiten statt Erschwerniszulagen, Einführung
zusätzlicher Pausen für Schichtarbeiter, Umsetzung von Schichtarbeitern in
die Tagesschicht ab ihrem 50. Lebensjahr (im Zweischichtsystem nach 25,
im Dreischichtsystem nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit), sowie eine
generelle Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 37,5 Stunden für
Schichtarbeiter"**.
Daneben setzte man. sich angesichts bevorstehender Rationalisierungs —
investitionen und der drohenden Verlegung wichtiger Betriebsteile (insbe —
sondere der arbeitsintensiven Produktion) nach Berlin, für eine Erhaltung
westdeutscher Standorte und Beschäftigtenzahlen (Arbeitsplatzgarantie)
3in
Zu der Absicht, die Belastungen und gesundheitlichen Risiken der
Arbeitstätigkeit für einen großen Teil der Arbeitnehmer generell zu re-—
duzieren (im Produktionsbereich wird nämlich üblicherweise im Zwei -
Schicht — Betrieb gearbeitet), traten auch spezielle Forderungen, die sich
konkret auf die Gruppe der älteren Arbeitnehmer beziehen“ und vor -
wiegend aus beschäftigungs - und humanisierungspolitischen Überlegungen
gestellt wurden: Gefordert wurde bei vollem Lohnausgleich — ein zwei-
stufiges GÜR —- Modell. In der ersten Stufe sollte die Arbeitszeit für alle
30 Graf, R. (1985), S. 192.
31 Wolf, J. (1981), S. 13.
32 Vgl. Zander, E. (1978), S. 132.
33 Daß man schon vorher gezielt etwas für die älteren Arbeitnehmer getan hat, zeigt
z.B., daß nach dem Manteltarifvertrag vom 1.1.1976 in der Zigarettenindustrie alle
Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen min —
destens 10 Jahre angehören, von einer ordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten
Gründen ausgeschlossen sind. Vgl. auch Buschak, W. (1985), S. 367.
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