234 I. Teil. Allgemeine pädagogische Psychologie.
vor, das Gute im Gewande des Schönen, das Sittliche als ein
Lebenweckendes, das Pflichtgemäße als ein den besseren Nei-
gungen der Menschennatur Entsprechendes und wohl gar auf
weiten Gebieten ohne schweren Seelenkampf zu Erreichendes
darzustellen und zu behandeln. So zeigt er durch seine gesamte
Persönlichkeit den Kindern den sittlichen Charakter leicht von
seiner starren, unfreundlichen Seite, erweckt mehr Scheu als
Liebe und wird vielleicht, ohne es zu wollen oder auch nur zu
ahnen, das Gegenteil von dem, was er als Erzieher sein sollte:
einabschreckendes Beispielstatteines anlockenden
und hinreißenden. Den stärksten und nachhaltigsten Ein-
druck macht der Aszet auf den Jugendlichen, wofern er nicht
durch herrisches Auftreten und Verkennung der Bedürfnisse und
Nöte. des Entwicklungsalters den stillen, aber sicheren Einfluß,
der sonst von ihm ausgeht, wieder einschränkt oder aufhebt.
Dieses Alter hat trotz aller Ungebührlichkeiten, zu denen es sich
durch den mächtig aufflackernden Freiheitstrieb verleiten läßt,
doch ein tiefes Gefühl für die echte, sittliche Selbständigkeit, die
sich der Aszet errungen hat. Das Ideal des Stoikers, sofern es
innerlich wahr ist und nicht bloß äußerlich zur Schau getragen
wird, sofern es nicht in Teilnahmslosigkeit ausartet, geht fast nie
an dem Jugendlichen spurlos vorüber.
4. Vor den Einseitigkeiten der bisher behandelten Werttypen
ist der religiöse in einer Beziehung bewahrt, da er die drei
Werte des Wahren, Guten und Schönen zusammenfaßt und auf
Erkennen, Wollen und Fühlen gleichmäßig wirkt. Dabei bleibt,
was wir früher andeuteten und in der genetischen Psychologie
der Religion näher zeigen werden, noch immer die Möglichkeit
bestehen, daß in seinem Leben und in seiner Erziehungsarbeit
einer der drei Werte überwiegt, also der religiöse Glaube, die
religiös begründete Sittlichkeit oder die religiös gerichtete ästhe-
tische Stimmung. Jedenfalls gehört es aber zum religiösen Wert-
typus des Erziehers, daß er den Glauben über das Wissen, die
göttliche Gnade über die menschliche Freiheit und die Wonnen
des Jenseits über die irdischen Genüsse stellt. Das kann seiner
Erziehungstätigkeit eine Weihe und eine Kraft verleihen, wie
sie von ‚der bloß wissenschaftlichen, sittlichen oder. künst-
lerischen Ausbildung nie erreicht werden... Der geistige Blick
des Zöglings wird erweitert, indem das Bewußtsein von den
Grenzen des. menschlichen Wissens erweckt wird. Das Ver-