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Ergebnis unserer Antwort, Sein Instinkt hat ihn nicht getrügt,
und das erreichte Kompromiß entsprach durchaus der Auf
fassung, die er in Gesprächen mit mir bei der Einschätzung der
Lage geäußert hat.
Als im August die Entente schon faktisch Krieg gegen uns
führte, indem sie Archangelsk besetzte und von dort nach Süden
vordrang, im Osten mit Hilfe der Tschechoslowaken vorstieß
und im Süden die „freiwillige Armee“ Alexejews dirigierte,
machte Wladimir Iljitsch den Versuch, den Antagonismus der
beiden kämpfenden imperialistischen Koalitionen zum Zwecke
der Schwächung des Angriffs der Entente auszunützen. Nach
eingehender Beratung mit Wladimir Iljitsch fuhr ich persönlich
zu dem neuen deutschen Botschafter Helfferich, um mit ihm
über ein gemeinsames Vorgehen gegen Alexejew im Süden und
über die Möglichkeit der Entsendung eines deutschen Truppen
teils gegen die Ententetruppen am Weißen Meer zu verhandeln.
Die weitere Entwicklung dieses Plans wurde durch die plötzliche
Abreise Helfferichs unterbrochen.
Das Hauptmittel unseres diplomatischen Vorgehens in Berlin
in dieser schwierigsten Periode bestand in der Gewinnung der
deutschen Handelskreise für die ökonomische Zusammenarbeit
mit der Sowjetrepublik. Genosse Joffe, der diese Politik
glänzend durchführte, wies die deutschen Handelskreise darauf
hin, daß, wenn sie Rußland zu einer zweiten Ukraine machten,
sie dieses Land in eine Wüste verwandeln und sich jener Vor
teile berauben würden, die ihnen aus der ökonomischen
Zusammenarbeit mit dem neu erstehenden Sowjetrußland er
wachsen könnten. Im Zusammenhänge damit formulierte
Wladimir Iljitsch zum ersten Male konkret seine Pläne der
Heranziehung des ausländischen Kapitals und der diesem zu
gewährenden großen Konzessionen. Ich habe über dieses Thema
eine Reihe von außerordentlich interessanten Gesprächen mit
Wladimir Iljitsch gehabt. Endlich wurde der Plan der Gewährung
russischer Konzessionen an das ausländische Kapital (dieser
Plan wurde, glaube ich, vom Genossen Bronsky ausgearbeitet)
gleichzeitig der deutschen Regierung und unserem amerikani
schen Freunde, Oberst Raymond Robbins, eingehändigt; der
letztgenannte nahm ihn mit nach Amerika.