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ist oft darüber geschrieben worden, wie durchaus unversöhnlich
und rücksichtslos Iljitsch sein konnte, wo es sich um Menschen
handelte, die, seiner Meinung nach, durch ihre unrichtige Tätig
keit der Partei und der Revolution schadeten. Dann konnte er
sogar die besten Freunde aus seinem Herzen reißen.
Es braucht nicht gesagt zu werden, wie schnell sich Iljitsch
dem Betreffenden wieder zuwandte, wenn der von der Bahn
Abgekommene wieder auf den alten Weg zurückkehren wollte.
So war es z, B., als ich mich an Lenin in der Angelegenheit
eines Arbeiters wandte, der wegen seiner Teilnahme an der
Organisation einer parteifeindlichen Gruppe nach Archangelsk
verschickt worden war. Kaum erzählte ich ihm, daß dieser
Bursche in seinen Briefen seine Verirrungen einsehe, als Iljitsch
mir hastig zurief; „Schreiben Sie unbedingt an das Zentral
komitee und bitten Sie, die Angelegenheit von neuem zu prüfen.
Ich werde Sie unterstützen.“
All das erklärt, wieso Menschen, die von Iljitsch in öffent
lichen Versammlungen und in der Presse hart angegriffen
wurden, niemals gegen ihn Haß oder auch nur ein gereiztes
Gefühl empfanden. Gerade in diesen traurigen Tagen sah ich
einen Genossen in tiefster Trauer, der am meisten von Iljitsch
auszustehen gehabt hat. Liebe, Vertrauen, Achtung und Ergeben
heit zu Iljitsch ließen nie ein Gefühl der persönlichen und frak
tionellen Kränkung aufkommen.
Daher hatte Iljitsch wohl Klassenfeinde, aber er hatte keine
persönlichen Feinde. Das ist eine seltene Erscheinung im Leben.
Und deshalb war es so leicht zu leben, da man stets das ( Bewußt
sein hatte, einen Mann von dieser Reinheit, Weisheit, Unvor
eingenommenheit und Gerechtigkeit neben und über sich zu
haben.
Ich selbst störte Iljitsch nur selten mit telefonischen Ge
sprächen und Besuchen, Aber das Bewußtsein, daß man im
schwersten Augenblick anrufen und nach einigen Sekunden
Iljitschs Stimme hören könne, dieses Bewußtsein stärkte den
Mut und die Energie bei der Arbeit, Das haben wahrscheinlich
viele gefühlt. Und das haben wir verloren. Und niemand in
der ganzen Welt wird diesen Verlust ersetzen können. Jeder
Mensch braucht das Bewußtsein, daß jemand in der Welt lebt,