Full text: Lenin, Leben und Werk

144 
ist oft darüber geschrieben worden, wie durchaus unversöhnlich 
und rücksichtslos Iljitsch sein konnte, wo es sich um Menschen 
handelte, die, seiner Meinung nach, durch ihre unrichtige Tätig 
keit der Partei und der Revolution schadeten. Dann konnte er 
sogar die besten Freunde aus seinem Herzen reißen. 
Es braucht nicht gesagt zu werden, wie schnell sich Iljitsch 
dem Betreffenden wieder zuwandte, wenn der von der Bahn 
Abgekommene wieder auf den alten Weg zurückkehren wollte. 
So war es z, B., als ich mich an Lenin in der Angelegenheit 
eines Arbeiters wandte, der wegen seiner Teilnahme an der 
Organisation einer parteifeindlichen Gruppe nach Archangelsk 
verschickt worden war. Kaum erzählte ich ihm, daß dieser 
Bursche in seinen Briefen seine Verirrungen einsehe, als Iljitsch 
mir hastig zurief; „Schreiben Sie unbedingt an das Zentral 
komitee und bitten Sie, die Angelegenheit von neuem zu prüfen. 
Ich werde Sie unterstützen.“ 
All das erklärt, wieso Menschen, die von Iljitsch in öffent 
lichen Versammlungen und in der Presse hart angegriffen 
wurden, niemals gegen ihn Haß oder auch nur ein gereiztes 
Gefühl empfanden. Gerade in diesen traurigen Tagen sah ich 
einen Genossen in tiefster Trauer, der am meisten von Iljitsch 
auszustehen gehabt hat. Liebe, Vertrauen, Achtung und Ergeben 
heit zu Iljitsch ließen nie ein Gefühl der persönlichen und frak 
tionellen Kränkung aufkommen. 
Daher hatte Iljitsch wohl Klassenfeinde, aber er hatte keine 
persönlichen Feinde. Das ist eine seltene Erscheinung im Leben. 
Und deshalb war es so leicht zu leben, da man stets das ( Bewußt 
sein hatte, einen Mann von dieser Reinheit, Weisheit, Unvor 
eingenommenheit und Gerechtigkeit neben und über sich zu 
haben. 
Ich selbst störte Iljitsch nur selten mit telefonischen Ge 
sprächen und Besuchen, Aber das Bewußtsein, daß man im 
schwersten Augenblick anrufen und nach einigen Sekunden 
Iljitschs Stimme hören könne, dieses Bewußtsein stärkte den 
Mut und die Energie bei der Arbeit, Das haben wahrscheinlich 
viele gefühlt. Und das haben wir verloren. Und niemand in 
der ganzen Welt wird diesen Verlust ersetzen können. Jeder 
Mensch braucht das Bewußtsein, daß jemand in der Welt lebt,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.