untersuchte Schwesterstadt Herculaneum waren breit hinge-
lagerte, dem frohen Lebensgenuß hingegebene Villenstädte mit
höchstens zweistöckigen Häusern; Ostia dagegen, zwischen Meer
und Fluß in seinen Mauerring eingezwängt, wuchs auf engem
Raume zu vier- bis fünfstöckigen Mietskasernen und gewaltigen
Speicherbauten empor und wurde vom Rhythmus der Arbeit
beherrscht. Die Enge des Baugrundes und die Bedürfnisse der
Handelsstadt führten ganz von selbst zur Überwindung des nach
innen gekehrten, nach außen abgeschlossenen altitalischen Haus-
typs, wie er uns in den Vesuvstädten entgegentritt, und zur
Entwicklung des mehrstöckigen Fassadenhauses mit architek-
tonischer Straßenfront und großem Hallenhof, das bisher als
Eigentümlichkeit der Renaissance und der Neuzeit galt, aber
tatsächlich, wie diese Ausgrabungen beweisen, im Altertum
wurzelt.
Als älteste Kolonie Roms um 335 v. Chr. gegründet, anfangs
nur als Militärkolonie zum Schutze der Tibermündung, ein
kleines befestigtes Lager, dessen sauber gefugte Tuffmauern und
Tore jetzt wieder freigelegt sind, wuchs Ostia sich bald zur
Handels- und Hafenstadt aus, erhielt einen Flottenpräfekten
und spielte schon im Ersten Punischen Krieg eine Rolle als
Flottenbasis. Allmählich zog es den ganzen Handel mit dem
Westen an sich und wurde zum Sitz der Getreideversorgung
Roms (Annona), wodurch große staatliche und private Korn-
speicher entstanden. Sulla umgab die Stadt mit einem neuen
Mauerring aus Tuffblöcken, über den sie auch in der Kaiserzeit
kaum noch hinauswuchs. Um so mehr nahm sie an Marmortem-
peln, Prachtbauten, Säulenstraßen und Bäderanlagen zu. Augu-
stus erbaute das jetzt wiederhergestellte Theater, und Claudius
errichtete die Vigiles, eine Feuerwehr- und Polizeitruppe, die in
einer stattlichen Kaserne wohnte und später auf 600 Mann an-
wuchs. Derselbe Kaiser begann den Bau eines künstlichen Ha-
fens, der von Nero vollendet und von Trajan großartig erweitert
wurde: Hadrian und Antoninus Pius statteten Ostia mit pracht-
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