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Österreichisch-russische Abmachungen
ohne Zweifel derselben Meinung. Als die Serben große Angst wegen
dieser Annäherung zeigten, deren Opfer sie zu werden fürchteten,
tröstete er sie mit der Versicherung, es werde nichts zu ihrem
Nachteil vereinbart werden. Ein völliges Zurückgehen auf die frü
heren Abmachungen lehnte er ab, schlug aber in Wien vor, man möge
sich auf folgende drei Grundsätze einigen: 1. Erhaltung des bestehenden
Zustandes auf dem Balkan, solange es möglich sei. 2. Gleichberech
tigung aller unter türkischer Herrschaft stehenden Völkerschaften. 3. Un
abhängigkeit, Konsolidierung und friedliche Entwicklung der kleineren
Balkanstaaten. Es war also sorgfältig vermieden, die Haltung Rußlands
für den Fall irgendwie festzulegen, daß die Erhaltung des bestehenden
Zustandes sich als unmöglich erweisen sollte. Aehrenthal ging darauf
ein, sprach aber den Wunsch aus, daß bei einem kriegerischen Zu
sammenstoß zwischen den Balkanstaaten ein Gedankenaustausch statt
finden möge, bevor eine der beiden Mächte irgendwelche Schritte tue.
Er wollte dies Abkommen nicht, wie es Iswolski beabsichtigte, allen
Großmächten mitgeteilt wissen. In der Tat wurde schließlich nur
öffentlich bekanntgegeben, daß eine befriedigende Verständigung über
die Balkanfrage zwischen beiden Großmächten erzielt sei. Iswolski
aber gab seinerseits die vereinbarten Grundsätze den Großmächten
bekannt 49 ). In eine schriftliche Festlegung hatte Aehrenthal, wie er
dem deutschen Reichskanzler sagte, deshalb nicht einwilligen wollen,
weil er für die Zukunft freie Hand behalten wollte. Er hatte das Ge
fühl, daß Iswolski ihn habe hintergehen wollen; seine wahre Absicht
sei, Österreich von Deutschland abzuziehen, um es vollständig zu iso
lieren 50 ). In Berlin war man der Meinung, daß Österreich einer künf
tigen Aufteilung der Türkei unter die Balkanstaaten in keiner Form
zustimmen dürfe, da eine solche Lösung des Problems nur auf seine
eigenen Kosten möglich sein werde. Man glaubte hier, daß Österreich,
wenn es zu dieser Aufteilung komme, trotz aller Ableugnungen einen
Anteil beanspruchen und sein Gebiet nach dem Sandschak hin auszu
dehnen suchen werde. Man riet dem Verbündeten immer wieder, wenn
gleich vergeblich, engere Fühlung mit Italien in diesen Fragen zu
nehmen und suchte auch auf Aehrenthal, als dieser im Oktober 1910
nach Berlin kam, in diesem Sinne einzuwirken 51 ).
Den durch das Buch des Generals Kuropatkin „Rußland für die
Russen“ angeregten Gedanken, daß Rußland und Österreich sich für
alle Fälle über eine künftige Aufteilung der Türkei verständigen möch
ten, wies man in Wien und Berlin durchaus zurück, schon darum, weil
man hoffte, daß die Türkei sich noch lange als lebensfähig erweisen
«) Siebert, S. 116—133.
50 ) Brockdorff-Rantzau, 15. März.
51 ) Aufzeichnung Schöns, 18. Februar 1910. Rundschreiben des Aus
wärtigen Amtes, 27. Februar.