Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Die Bagdadbahn 
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Denn das Parlament wurde hier ebenso wie in der Türkei zum Sprach 
rohr der Volksgefühle, die jeder fremden Einmischung in die Ver 
hältnisse des eigenen Landes absolut feindlich waren. Persien war 
zweifellos der schwächste Ring in der Kette der Entente. Sobald aber 
Deutschland versuchte, zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen 
mit dem Schah 1 direkt in Verbindung zu treten, waren die beiden Teil 
nehmer des Vertrages von 1907 sofort darüber einig, daß das Ein 
dringen eines Dritten, und namentlich Deutschlands unter keinen Um 
ständen geduldet werden dürfe. Man sprach davon, daß Deutschland 
es hier offenbar ebenso machen wolle, wie in Marokko gegenüber 
Frankreich. In der Tat lagen ja die Dinge in beiden Fällen nicht un 
ähnlich, nur daß Deutschland, durch die schlechten Erfahrungen von 
Algesiras gewarnt, und zudem in einer viel schlechteren Gesamtlage 
befindlich als damals, niemals im Ernst daran gedacht hat, es hier zu 
einem Konflikt mit Rußland und England kommen zu lassen. 
In naher Beziehung zu der persischen Frage stand die Angelegen 
heit des weiteren Ausbaus der Bagdadbahn. Sie hatte fast vier Jahre 
lang gestockt infolge der von den Mächten der Entente bereiteten 
Schwierigkeiten. Am 2. Juni 1908 war der Weiterbau bis nach Teil Helif 
von der Türkei genehmigt worden; im folgenden Jahr wurde er in 
Angriff genommen. Im November 1909 genehmigte der Sultan den An 
schluß der vom Cilicischen Golf ins Innere führenden, gleichfalls von 
der Bagdadbahn-Gesellschaft erbauten Linie an diese Bahn. Die 
Engländer, denen es wesentlich um die Beherrschung der meso- 
potamischen Endstrecke zu tun war, hatten sich ja bereits die 
tatsächliche Herrschaft über das Gebiet des Sultans von Kuweit ge 
sichert und ließen sich für eine englische Gesellschaft das Monopol 
für die Schiffahrt auf dem Euphrat und Tigris übertragen. Mehrfach 
versuchte der Direktor der Deutschen Bank, Herr von Gwinner, durch 
Vermittlung von Sir Ernest Cassel direkt mit englischen Kapitalisten 
kreisen Fühlung zu gewinnen, um womöglich durch deren Beteiligung 
an dem Bau der Endstrecke die Schwierigkeiten aus dem Wege zu 
schaffen. Man war bereit, dem englischen Kapital bis zu 60<>/o der 
Aktien für diese Endstrecke zu überlassen, falls dafür die Sicherheit 
gewährt würde, daß England den Ausbau der Linie bis nach Bagdad 
durch deutsches Kapital nicht länger hindere. Die englischen Finanz 
leute waren nicht abgeneigt, auf eine solche Vereinbarung einzugehen. 
Aber die Zustimmung der Regierung war nicht zu erlangen und alle 
diese Bemühungen scheiterten, weil die Ententemächte unter sich ab 
gemacht hatten, daß keine von ihnen ohne vorherige Benachrichtigung 
der anderen eine Verständigung über die Bagdadbahn treffen werde. 
Das war ja schon bei den Besprechungen in Windsor 1907 deutlich 
zutage getreten. Allerdings war die Verlockung für die Engländer so * 
58 ) Vgl. hierüber Siebert 171 ff.
	        
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