Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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Politik Sassonows 
groß, daß sie den Russen deutlich sagten, sie würden schließlich doch 
abschließen, da der Bau der Bahn eine wirtschaftliche Notwendigkeit sei 
und sich dauernd nicht aufhalten lasse. Auch Rußland sah das voll 
kommen ein, wünschte aber Kompensationen für seine Einwilligung zu 
erhalten. Um Deutschland noch weiter hinzuhalten und womöglich 
zu höheren Angeboten zu treiben, griff man dazu, der jung 
türkischen Regierung in Konstantinopel die Sache so darzustellen, 
als bedeute der Abschluß eines solchen Abkommens die Auf 
teilung der Türkei in wirtschaftliche Interessensphären, die dann leicht 
die Vorstufe zur völligen territorialen Aufteilung werden könne. So 
schleppte sich die Angelegenheit immer weiter hin. Frankreich er 
strebte 1910 die Konzession für eine Bahn von Syrien her nach Bagdad, 
die der deutschen Strecke Konkurrenz machen sollte, während sich Eng 
land, obwohl es die Verträge der Türkei mit der deutschen Gesellschaft 
kannte, um eine Konzession für die Strecke von Bagdad zum Persischen 
Golf für eine englische Gruppe bemühte. In dieselbe Zeit fielen auch 
die schon erwähnten Bemühungen Frankreichs, die von der Türkei 
erbetene Anleihe an politische Bedingungen zu knüpfen, die den Ab 
bruch dieser Verhandlungen und die Aufnahme der Anleihe bei einem 
deutsch-österreichischen Konsortium zur Folge hatten. 
Die deutsch-russischen Beziehungen waren überhaupt trotz der 
häufigen Monarchenbegegnungen und der offiziellen Versicherungen 
des Gegenteils nicht besser geworden. Herr v. Hintze hielt in seinen 
Berichten konsequent an der Meinung fest, daß Rußland uns angreifen 
werde, sobald es gerüstet sei, und der Kaiser schloß sich 1 ganz dieser 
Auffassung an. Graf Pourtales neigte mehr zu der Ansicht, daß zu so 
gefährlichen und weitaussehenden Plänen kein russischer Staatsmann 
den Mut und die Fähigkeit besitze, und daß die Gefahr mehr in unbe 
rechenbaren Gefühlsmomenten liege, die in kritischen Augenblicken 
wirksam werden könnten, als in wohldurchdachten feindlichen Plänen 59 ). 
Auch Bethmann meinte, man dürfe sich „über die Zugehörigkeit Ruß 
lands zur Triple-Entente mit ihrer antideutschen Spitze nicht hinweg- 
täuschen lassen“. Trotzdem wünschte er die guten Beziehungen zu Ruß 
land äußerlich aufrechtzuerhalten, da Österreich die Leitung des Drei 
bundes an sich reißen werde, sobald es glaube, daß wir mit Rußland 
dauernd zerfallen seien. Auch werde England entgegenkommender sein, 
wenn es an gute Beziehungen zwischen uns und Rußland glaube 60 * ). 
Auch Sassonow legte zunächst Wert darauf, immer wieder zu 
betonen, daß er gute Freundschaft mit Deutschland und eine vertrau 
liche Aussprache der beiden Monarchen wünsche. Der Kaiser versprach 
sich nicht viel davon, wollte aber doch den russischen Wunsch nicht 
59 ) Pourtales, 12., 22., 23., 26. August. Hintze, 19. August. Der Kaiser 
an Bethmann, 26. August. 
eo ) Immediatberichte Bethmanns, 2. Januar und 15. September 1910.
	        
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