Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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Frankreich macht keine Angebote 
Briten und Russen den erschreckten Galliern den Rücken und diktieren 
ihnen, was sie uns nur höchstens gnädig gewähren sollen. Diese Art 
von Diplomatie ist für mein Hirn zu fein und zu hoch.“ Er wünschte, 
daß die Franzosen nun endlich veranlaßt würden, mit ihrem Angebot 
herauszukommen. 
In Paris äußerte man sich zwar anfangs etwas pikiert, da die 
Entsendung des Kriegsschiffes der Unbefangenheit der Aussprache Ein 
trag tun und die öffentliche Meinung erregen werde, erklärte sich aber 
nach Empfang des Berichts von Cambon zu Verhandlungen auf dieser 
Grundlage bereit; auf Abtretungen in Marokko selbst würde man sowohl 
der eigenen wie der englischen Interessen wegen nicht haben eingehen 
können 16 ). 
Am 15. Juli erschien Cambon wieder bei Kiderlen, vermied es 
aber wieder, selbst ein Angebot auszusprechen. Dem Staatssekretär 
riß nun die Geduld und er erklärte, wenn er auch offiziell noch keine 
bestimmte Forderung zu stellen habe, so könne er doch als seine Privat 
meinung mitteilen, daß wir den ganzen Französischen Kongo bean 
spruchen würden. Natürlich dachte er nicht daran, daß Frankreich 
diese Forderung bewilligen werde, sondern wollte nur ein greifbares 
Gegenangebot herauslocken. Cambon wollte auf den Rücken fallen 
und erklärte, schon eine teilweise Abtretung dieser Kolonie werde auf 
die größten Schwierigkeiten stoßen, da Deutschland als Gegengabe ja 
nur unbestimmte Ansprüche zu bieten habe, die es zudem noch mit 
andern Mächten teile. Der Kaiser, dem dieser Bericht auf seine Nord 
landreise nachgeschickt wurde, war wieder höchst unzufrieden und 
meinte, man habe kostbare Zeit damit vergeudet, die Franzosen zum 
Aussprechen des ersten Angebots zu bringen; man hätte schon vor zwei 
Monaten sagen sollen, was man haben wolle. Er untersagte ausdrück 
lich irgendwelche einer Drohung gleichkommende Schritte in seiner 
Abwesenheit zu unternehmen. Er fand sich durch den Verlauf der 
Dinge in seiner alten Abneigung bestärkt, Marokko zum Zankapfel 
werden zu lassen, und fürchtete, daß aus dieser verhältnismäßig gleich 
gültigen Frage ein allgemeiner Krieg hervorgehen könne. Der ihn be 
gleitende Gesandte von Treutier fand es nötig, Kiderlen darauf auf 
merksam zu machen, „daß es, wie ja E. E. wissen, sehr schwer sein wird, 
S. M. für Schritte zu gewinnen, von denen Allerhöchstderselbe annimmt, 
daß sie den Krieg herbeiführen würden“ 17 ). 
Auch Kiderlen fand es bedenklich, zu Drohungen zu schreiten. Er 
meinte, die Verhandlungen würden sehr langwierig werden und legte 
sich nun endlich die Frage vor, was denn eigentlich werden solle, wenn 
Frankreich auch jetzt keine genügenden Kompensationsangebote mache. 
Er setzte dem Reichskanzler auseinander, daß es dann schwierig sein 
le ) Schön, 2. und 12. Juli. 
17 ) Immediatbericht vom 15. Juli. Treutier an das Auswärtige Amt, 
17. Juli (zwei Telegramme).
	        
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