Deutschlands Protest
327
an die Errichtung eines Kriegshafens nie gedacht habe und Frankreich
nur veranlassen wolle, sich entweder mit ihm gütlich auseinanderzu
setzen oder auf den Boden der Algesiras-Akte zurückzukehren. Der
selben Algesiras-Akte, die man kurz vorher für gänzlich hinfällig erklärt
hatte, weil sie von Anfang an auf falschen tatsächlichen Voraussetzungen
beruht habe. Ferner entrüstete er sich darüber, daß Frankreich seinen
Verbündeten Mitteilungen über den Gang der Verhandlungen gemacht
habe, obwohl strengstes Geheimnis vereinbart worden sei. Am folgen
den Tage, als er die unangenehme Wirkung der Rede von Lloyd George
auf die öffentliche Meinung Deutschlands schon klarer vor Augen sah,
fügte er noch hinzu, es sei nicht einzusehen, warum England nicht
eine direkte Aussprache mit uns gesucht habe, anstatt uns sofort
öffentlich zu drohen. Wenn es die Lage verwirren und eine gewaltsame
Entladung herbeiführen wolle, habe es kein besseres Mittel wählen
können. Falls aber die Absicht einer Drohung geleugnet werde, sollte
Metternich eine öffentliche unzweideutige Erklärung in diesem Sinne
fordern 23 ).
Als Metternich jetzt in der Lage war, Grey offiziell mitzuteilen, daß
wir unter keinen Umständen in Südmarokko bleiben wollten, erklärte
dieser, daß er sich dadurch wesentlich erleichtert fühle und dem Par
lament davon Mitteilung machen würde. Hiergegen erhob Kiderlen
sofort Protest, da es dann so scheinen könne, als hätten wir diese Er
klärung unter dem Druck der Rede von Lloyd George gegeben. Grey
war bereit, auf die parlamentarische Verwertung zu verzichten, sagte
aber, dann könne er auch nicht beruhigend wirken. Übrigens enthalte
die Rede durchaus keine Drohungen. Wenn Deutschland für sich allein
den alten Zustand wieder herzustellen unternehme, könne die Sache noch
ernster werden. Es liege ihm durchaus fern, die Verständigung zwischen
Deutschland und Frankreich zu erschweren; aber England müsse sich
gegen eine Verletzung seiner Interessen sichern. Metternich erwiderte
ziemlich erregt, zu solchem Verdacht liege kein Anlaß vor; je mehr
man uns drohende Warnungen erteile, desto fester würden wir auftreten.
Er sagt in seinem Bericht, die Unterredung sei äußerst lebhaft, aber
in den Grenzen der diplomatischen Etikette verlaufen. Dies läßt den
Schluß zu, daß Grey nicht ganz unrecht hatte, wenn er sie dem russi
schen Botschafter gegenüber als „stürmisch“ bezeichnete. Metternich
führte die Haltung der Engländer auf französische Bitten und die Sorge
um das Fortbestehen der Entente zurück, neben der Vorstellung, daß
wirklich britische Interessen in Gefahr seien. Dennoch glaubte er, daß
England nicht einen feindlichen Zusammenstoß, sondern eine friedliche
Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland wünsche.
Kiderlen beauftragte den Botschafter zu sagen, man erwarte von
Greys Loyalität, daß er, wenn er sich überzeugt habe, britische Inter- 2
2S ) Kiderlen an Metternich, 23. und 24. Juli.