Ihr Scheitern
23 Brandenburg, Von Bismarck zum Weltkrieg'
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richte vom 17. März. Er legte sie dem Kaiser vor, und dessen Zorn
flammte besonders hoch empor, als er las, daß man in England in
Bethmanns Persönlichkeit die einzige sichere Friedensbürgschaft er
blicke. „Ich habe noch nie in meinem Leben gehört, daß man ein Ab
kommen nur mit einem und auf einen bestimmten Staatsmann hin, unab
hängig vom jeweiligen Souverän, abschließt. Aus obigem geht hervor,
daß Grey keine Ahnung hat, wter hier eigentlich der Herr ist, und daß
ich herrsche. Er schreibt mir bereits vor, wer mein Minister sein
solle, falls ich mit England ein Agreement schließe.“
Er entwarf sofort persönlich eine Instruktion für Metternich mit dem
Tadel, daß er Greys Vorschlag überhaupt weitergegeben habe. Die
englische Regierung habe die durch Haldane vorgeschlagene Verhand
lungsbasis damit verlassen und das Agreement zum Scheitern gebracht.
Daher sei nun auf neuer Basis zu verhandeln. Als solche sei ein Schutz-
und Trutzbündnis mit Einschluß Frankreichs ins Auge zu fassen. Dem
Reichskanzler teilte er mit, daß seine Absicht sei, England ins Unrecht
zu setzen, wenn es diesen Vorschlag ablehne. Der Kanzler konnte die
Absendung dieser Anweisung nicht hindern, schickte aber daneben eine
Erläuterung nach London, die wesentlich anders lautete. Nur eine einem
Schutzbündnis nahekommende Abmachung werde es ihm ermöglichen,
dem Kaiser den Verzicht auf wesentliche Stücke der Novelle anzuraten.
In des Kaisers friedlichen Absichten liege die beste Garantie für Deutsch
lands künftige Politik. Er müsse aber wissen, welche Abstriche Eng
land befriedigen würden 31 ). Da er aber aus einem inzwischen eingehen
den weiteren Bericht des Botschafters ersah, daß nach dessen Ansicht
ohne Verzicht auf die ganze Novelle nichts zu erreichen sein werde, be
fahl er ihm, die ganze Sache vorläufig fallen zu lassen (18. März). Er
schrieb damals an Ballin, er habe sich überzeugt, daß die Aufgabe
„innerlich unlöslich“ sei.
Metternich hatte am 20. eine neue Unterredung mit Grey. Dieser
sagte, er sehe nicht ein, warum Deutschland stärkere Garantien brauche
als Frankreich und Rußland, mit denen man viel schärfere Gegensätze
gehabt habe. Bisher sei nur Japan mehr zugestanden als diesen. Ob
er die Sache so auffassen solle, daß Deutschland beim Nichtzustande
kommen eines Agreement auf gute Beziehungen keinen Wert mehr
lege? Er sei bereit, über koloniale Fragen weiter zu verhandeln, und
wenn die Aufregung über die Flottenfrage sich gelegt habe, auch über
ein Agreement.
Darauf erhielt Metternich' den Befehl zu sagen: Selbstverständlich
sollten gute Beziehungen — Gegenseitigkeit vorausgesetzt — auch
ohne Agreement fortdauern. Beim Abschluß eines Neutralitätsabkommens
31 ) Vom Kaiser entworfenes Telegramm an Metternich, 18. März. Erlaß
an Metternich, 18. und 19. März. Vgl. auch die Briefe des Kaisers und Beth
manns an Ballin vom 18. März bei Huld ermann 266.