Ergebnis
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hätte man aber außerdem eine Herabsetzung der Flottennovelle erwägen
können. England aber wolle nur unsere Rüstungen beschränken, nicht
sich selbst binden, und behalte sich nach Churchills Äußerungen neue
Verstärkungen vor, wenn irgend welche andern Mächte stärker
rüsteten 32 ).
Metternich versuchte noch einmal die deutsche Formel bei Qrey
durchzusetzen. Dieser behielt sich Bericht an das Kabinett vor. Der
Botschafter meinte, wenn dieses überhaupt auf unsere Fassung eingehe,
werde es jedenfalls darauf bestehen, daß jede Erweiterung des bis
herigen Flottenbauplans für beide Teile während der Dauer des Ab
kommens ausgeschlossen, die deutsche Novelle also völlig aufgegeben
werde. Bethmann antwortete ihm, es komme weniger auf den Wortlaut
als auf den Inhalt des Abkommens an; je weiter England darin entgegen
komme, desto mehr Aussicht sei auf eine Einschränkung des deutschen
Flottenprogramms.
Am 29. März konnte Grey dem Grafen Metternich mitteilen, daß
das Kabinett über die früher von England vorgeschlagene Formel nicht
hinauszugehen beschlossen habe. Der Botschafter gab darauf die Er
klärung ab, „daß die Kaiserliche Regierung in der englischen Formel
für das Abkommen nicht die Voraussetzungen erblicke, die zu dem von
Sir Edward Grey gewünschten günstigen Ergebnis führen würden 33 )“.
Um den Faden nicht ganz abreißen zu lassen, erörterte man jedoch die
Möglichkeit eines periodischen Nachrichtenaustausches über den Stand
der Schiffsbauten weiter, und fuhr auch in der Besprechung der kolo
nialen Fragen — afrikanische Kolonien, Bagdadbahn, Persien — fort,
in der Hoffnung, durch Verständigung über Einzelpunkte einer späteren
umfassenderen Vereinbarung doch noch den Boden zu bereiten 34 ). Aber
t die Verhandlungen über Neutralitätsabkommen und Flottenbeschrän
kung sah man jetzt deutscherseits als gescheitert an. Am 15. April
wurde die Flottennovelle zugleich mit einer Vorlage über Vermehrung
des Landheeres dem Reichstag vorgelegt und am 14. Mai angenommen.
Der Kaiser zog hieraus den Schluß, daß es besser gewesen wäre,
auf die Sache gar nicht einzugehen. Er habe gleich das richtige Ge
fühl gehabt, die Novelle sofort zu veröffentlichen; seine Diplomaten
hätten ihn, von England getäuscht und geblendet von dem Trugbild
eines afrikanischen Kolonialreiches, Hindernisse in den Weg gelegt.
Sie würden daraus hoffentlich die Lehre ziehen, seinen Wünschen in
Zukunft mehr Beachtung zu schenken, namentlich wenn es sich um
England handle, das er richtiger zu behandeln verstehe als sie. Er habe
sofort durchschaut, daß Haldane uns nur durch Vorspiegelungen zum
Verzicht auf die Novelle habe verleiten wollen, um die Stellung des
32 ) Metternich, 20. März. Bethmann an Metternich, 21. März.
3S ) Metternich, 29. März.
34 ) Deutsche Note an England, 5. April.