Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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Besorgnis Frankreichs 
war sie ein Zeichen, daß man in England ernstlich an eine neue Ein- 
Stellung der Gesamtpolitik denke, mit dem Endziel, die alte Stellung 
über den Parteien zurückzugewinnen? Wir wissen es nicht. Sicher 
aber ist, daß der Versuch, England sofort fester an Deutschland zu 
binden, es aus der Entente zu lösen, eine Art von englisch-deutschem 
Duumvirat an die Stelle der bisherigen Kombinationen zu setzen, auf 
ihn, seiner ganzen politischen Vergangenheit und Wesensart nach ab 
schreckend wirken mußte, selbst wenn seine Annäherung ernst gemeint 
war. 
Erfuhr man in Paris etwas von diesen, wenn auch noch so schüch 
ternen Versuchen des Verbündeten, sich dem Führer der Gegengruppe 
zu nähern? Paul Cambons Beobachtungstalent und Scharfsinn werden 
sie wohl kaum entgangen sein; vielleicht ist Poincares unbedingte 
Hilfszusage und seine hetzerische Sprache gegenüber Iswolski, auf die 
Besorgnis vor einer deutsch-englischen Annäherung zurückzuführen; 
vielleicht wollte er Rußland zum Losschlagen drängen, bevor diese 
Annäherung festere Formen angenommen habe, jedenfalls sah er, 
daß England und Deutschland auf die Lokalisierung des Balkan 
konfliktes hinarbeiteten, sah auch, daß England jeder einseitigen 
Vermittlung der Entente ein gemeinsames Handeln aller Groß 
mächte zu substituieren suchte und den Zusammenstoß vermeiden 
wollte. Wenn Graf Benckendorff seit Ende Oktober eine leise 
Spannung zwischen London und Paris zu bemerken glaubte, so 
wird er nicht Unrecht gehabt haben. Wegen des Verhältnisses zu 
Spanien in Marokko und der französischen Begünstigung des Waffen 
schmuggels in Maskat war es nach Kühlmanns Beobachtungen zu 
Reibungen zwischen den Verbündeten gekommen. Daß Grey gelegent 
lich durchblicken ließ, er werde Konstantinopel lieber in der Hand 
der Bulgaren oder als neutralisierte freie Stadt konstituiert sehen, als 
es in den Besitz Rußlands kommen lassen, wird die Franzosen ebenfalls 
stutzig gemacht haben; denn Rußland drohte offen mit sofortigem Er- 
scheiner seiner gesamten Flotte vor Konstantinopel, sobald die Bul 
garen dort einziehen würden. Auch' äußerte Grey Bedenken, ob man 
die Inseln im Norden des Ägäischen Meeres, die Griechenland besetzt 
hatte, mit Rücksicht auf ihre strategische Wichtigkeit für die Beherr 
schung der Meerengen dauernd an Griechenland überlassen könne. 
Als die Kriegsgefahr im November ernster zu werden schien, suchte 
Poincare auch Italien zu einer Erklärung zu drängen, daß es entspre 
chend den Abmachungen von 1902 nicht gegen Frankreich kämpfen 
werde. Es scheint, daß er diese gespannte Lage auch 1 benutzt hat, um, 
getrieben von der Sorge vor einer deutsch-englischen Annäherung, durch 
Cambon an Grey eine neue direkte Anfrage über Englands voraus 
sichtliche Haltung stellen zu lassen. Das Ergebnis dieser Bemühungen 
liegt in dem bekannten Briefwechsel zwischen Grey .und Cambon vom 
22. und 23. November vor, über dessen Vorgeschichte wir noch im
	        
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