Präliminarfriede von London
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entscheiden möge, zurückgewiesen und die Sache der Botschafter
konferenz übergeben hatte, trat diese Frage zurück gegenüber der
nordalbanischen. Montenegro belagerte Skutari und zwang es trotz
des Verbotes der Großmächte am 23. April zur Kapitulation. One Flotte
der Mächte war schon vorher auf Greys Vorschlag an der albanischen
Küste stationiert worden und hatte diese blockiert. Aber Fürst Nikita
weigerte sich trotzdem, Skutari zu räumen und verstand sich dazu erst,
als Österreich sich entschlossen zeigte, ihn sonst mit Gewalt hinauszutrei
ben, und als die Mächte ihm eine Geldentschädigung in Aussicht stellten.
(14, Mai.) Serbien verlangte jetzt eine Vorschiebung seiner Grenze
in Mazedonien, weil es in Albanien nichts bekommen sollte und weil
es Adrianopel hatte erobern helfen; das bewog Bulgarien, am 16. April
einen besonderen Stillstand mit der Türkei zu schließen. Nach langen
Mühen kam unter dem Druck der Mächte am 30. Mai der Präliminar
friede von London zustande; die Türkei trat alles Gebiet westlich der
Linie Enos—Midia ab, ebenso Kreta. Über die Inseln des Ägäischen
Meeres und die Abgrenzung Albaniens sollten die Mächte entscheiden,
über die Verteilung der übrigen Eroberungen sollten die Balkanstaaten
sich einigen.
Während dieser Vorgänge hätte man in Wien und Berlin besorgt
die Frage erwogen, ob nicht auch die Integrität der asiatischen Türkei
angetastet werden würde. Sollten derartige Pläne von anderer Seite
verfolgt werden, so war Deutschland entschlossen, seinen Anteil zu
fordern. Bethmann war sehr besorgt, ob das nicht zu schweren Kon
flikten führen werde, ob wir angesichts der Gesamtlage überhaupt die
nötigen Machtmittel zur Besetzung und Behauptung kleinasiatischer
Gebiete verfügbar haben würden. Er wünschte daher diese Fragen
solange hinauszuschieben, wie es irgend gehe. Auch fürchtete man
die Aufrollung der Meerengenfrage und eine Stärkung der russischen
Stellung und damit der Entente im Mittelmeer 41 ).
Im allgemeinen bewährte sich auch während der schwierigen Ver
handlungen der Botschafterkonferenz das Zusammenarbeiten Deutsch
lands und Englands im Sinne der Erhaltung des Weltfriedens. Indem
Deutschland auf Österreich, England auf Rußland einen zurückhaltenden
Einfluß ausübte, wurde es möglich, über die kritischen Punkte der Ver
handlungen ohne ernsten Zusammenstoß wegzukommen. Auch in der
schwierigen Frage der Begrenzung des neuen albanischen Staates ge
langte man zu einem Kompromiß. Österreich war schon zu Beginn der
Beratungen entschlossen, auf eine Korrektur der von ihm vorgeschla
genen Nordostgrenze Albaniens einzugehen, falls nur Skutari dem neuen
Staate verbleibe; Rußland hatte sich ebenfalls mit dem Gedanken ab
gefunden, daß Skutari für Montenegro nicht zu retten sei. Nur, weil
41 ) Aufzeichnung Zimmermanns, 16. Januar 1913. Bethmann an Licli-
nowsky, 27. Januar.