Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Österreichs neue Balkanpolitik 
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bien Rückhalt, den es Bulgarien gegenüber braucht und wünscht.“ 
Österreich müsse versuchen, Rumänien, Serbien und Griechenland, die 
unter sich keine widerstreitenden Interessen hätten, aber alle in hef 
tigem Interessenkonflikt mit Bulgarien ständen, an sich heranzuziehen 
und schließlich noch die Türkei mit ihnen zusammenzuführen. Das be 
deute eine Teilung der slavischen Welle, während man sonst alle 
Slaven Rußland in die Arme treibe 45 ). 
Graf Berchtold erklärte das jedoch für unmöglich. Dynastie und 
Volk in Serbien seien in die großserbischen Pläne verrannt, deren Ver 
wirklichung kein österreichischer Staatsmann zulassen könne. Sein 
Wunsch war enges Einvernehmen mit Bulgarien. Dies sollte Silistria 
an Rumänien geben und dafür das von den Griechen besetzte und be 
anspruchte Saloniki als Ersatz bekommen. Er hielt auch eine Heran 
ziehung Griechenlands, das nach Südalbanien strebe, nicht für möglich. 
Nur durch Heranziehung Rumäniens und Bulgariens an den Dreibund 
sei das Schreckgespenst des Balkanbundes zu verscheuchen. Vergebens 
wies Tschirschky darauf hin, daß schon die Rücksicht auf das starke 
rumänische und südslavische Element in der Donaumonarchie selbst 
ein Zusammengehen gerade mit diesen Staaten wünschenswert mache, 
weil es eine Art Sicherung gegen separatistische Bestrebungen sei, und 
daß man ja ganz allmählich und unauffällig Vorgehen könne 46 ). 
Der österreichische Plan mußte an dem starken rumänisch-bulga 
rischen Gegensatz ein schweres Hindernis finden. Zwar kam durch' 
Vermittlung der Mächte Ende Mai ein Vertrag zwischen beiden Staaten 
zustande, der Silistria an Rumänien überließ; aber dort war man mit 
dem Maße des Erreichten nicht zufrieden, und in Bulgarien hatte man 
nur zähneknirschend in diese Abtretung gewilligt. Der Berliner Plan 
schien an sich viel gesünder und aussichtsreicher; er beruhte im letzten 
Grunde auf dem Gedanken, daß Österreich den verlorenen Einfluß in 
Serbien durch friedliche und freundliche Mittel zurückgewinnen müsse. 
Er hätte aber eine vollständige Umlegung der Wiener Politik bedeutet; 
und es war immerhin recht fraglich, ob Serbien ehrlich darauf eingehen 
werde. Man stand immer wieder vor dem gleichen unlösbaren Problem. 
Berchtold arbeitete weiter daran, Bulgarien allmählich von Rußland zu 
lösen, es dem Dreibund zu nähern, und eine Verständigung mit Rumä 
nien über die Kompensationsfrage herbeizuführen. Das Hauptziel, 
meinte er, müsse für später sein, mit Hilfe Bulgariens und der Türkei 
das Vordringen Rußlands nach Kleinasien und den Meerengen zu ver 
hindern. Er verlangte ziemlich kategorisch Deutschlands Unterstützung 
für diese Politik; da Österreich an den Balkanfragen weit stärker inter 
essiert sei, so glaube es darauf rechnen zu dürfen. Jede Disharmonie 
könne nur die Gegner des Dreibundes stärken. 
40 ) Der Kaiser an das Auswärtige Amt, 5. März. S. Bemerkungen zum 
Bericht v. Pourtales, 5. März. 
4G ) Tschirschky 5., 13. und 20. März. Erlaß Berchtholds, 2. Mai.
	        
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