Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Der zweite Balkankrieg 
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ln Petersburg verfolgte man Österreichs Bemühungen um die bul 
garische Freundschaft wachsam und mißtrauisch. Man ermahnte die 
Bulgaren zu Zugeständnissen an Rumänien, nachdem Drohungen in 
Bukarest wirkungslos geblieben waren; und es geschah wohl wesentlich 
unter russischem Druck, daß Bulgarien die Entscheidung der Mächte 
über Silistria annahm. Gleichzeitig tröstete man von russischer Seite 
die Serben über ihren momentanen Verzicht damit, daß Albanien nur 
ein provisorisches Staatsgebilde sei, dem man keine lange Lebensdauer 
in Aussicht stellen könne, daß außerdem die Donaumonarchie bald zer 
fallen und Serbien dann volle Befriedigung seiner Wünsche erhalten 
werde. „Serbiens verheißenes Land liegt im Gebiete des heutigen 
Österreich-Ungarn und nicht dort, wohin es jetzt strebt, und wo auf 
seinen Wegen die Bulgaren stehen“, schrieb Sassonow am 6. Mai 
an den Gesandten Hartwig in Belgrad 47 ). 
Serbien war jedoch zunächst nicht geneigt, sich' auf so ferne Zu 
kunftsaussichten vertrösten zu lassen. Es war der Meinung, daß es 
für den im Südwesten entgangenen Gewinn durch eine Vergrößerung 
seines mazedonischen Beuteanteils auf Kosten Bulgariens entschädigt 
werden müsse. Es glaubte im Kriege mehr geleistet zu haben, als es 
nach dem Bündnisverträge nötig gehabt hätte, während Bulgarien weni 
ger getan habe und mehr bekommen solle, als ihm ursprünglich' zuge 
dacht sei, namentlich Ädrianopel. Griechenland hatte ähnliche Wünsche, 
da es in Südalbanien ebenfalls auf einen Teil des erhofften Gebiets 
zuwachses verzichten sollte. Griechen und Serben verständigten sich' 
also dahin, den bisherigen Verbündeten zum freiwilligen Verzicht auf 
einen erheblichen Teil Mazedoniens aufzufordern. Am 25. Mai verlangte 
zunächst Serbien in Sofia eine Revision der Vertragsbestimmungen. 
Bulgarien weigerte sich. Eine Konferenz der Ministerpräsidenten der 
verbündeten Balkanstaaten wurde zwar vereinbart, kam aber nicht 
zustande. Der Zar mahnte vergeblich zum Frieden und lud schließlich 
am 17. Juni die Ministerpräsidenten vor sein Forum nach Petersburg. 
War er doch im serbisch-bulgarischen Vertrag ausdrücklich als Schieds 
richter anerkannt. Aber Bulgarien, das genügenden Grund hatte an 
eine seinen Ansprüchen ungünstige Entscheidung des Zaren zu glauben, 
machte Ausflüchte. Und, nachdem es schon vorher zu kleineren Reibe 
reien zwischen den verbündeten Truppen gekommen war, leitete ein 
bulgarischer Überfall auf die serbischen Linien am 30. Juni den Aus 
bruch des zweiten Balkankrieges ein. 
Sofort griff diesmal auch Rumänien ein, nachdem Österreich ver 
geblich versucht hatte, die Bulgaren zur freiwilligen Abtretung des 
ganzen von den Rumänen beanspruchten Gebietes zu bestimmen. Auch 
die Türken benutzten die Gelegenheit, um den Kampf um Adrianopel 
nochmals aufzunehmen; sie eroberten in der Tat diese Stadt zurück. 
47 ) Abgedruckt im deutschen Weißbuch (Deutschland schuldig?), S. 98 f.
	        
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